Auf dieses Fest freuen sich die Veganer tierisch
Das erste vegane Festival Vegana gibt Einblick in das Leben mit tierfreien Produkten und Lebensmitteln.
«Wir sind das personifizierte schlechte Gewissen», sagt Sophia Hoffmann, um zu erklären, warum Veganer bei vielen Menschen auf Ablehnung stossen. Die vegane Köchin und Foodbloggerin verzichtet aus Sorge um die Umwelt auf Tierprodukte und wirkt dabei nicht verbissen, sondern glücklich. Ihre Unterarme schmücken Tattoos von Tomaten und Katzen, um ihren Hals baumelt ein Tyrannosaurus Rex, «ein ausgestorbener Fleischfresser», sagt sie lachend.
Die 34-jährige Hoffmann ist aus Berlin – der «veganen Hauptstadt Europas» – angereist, um am zweitägigen Vegana- Festival zu kochen. Die vegane Szene in Zürich wächst: Bis Samstagabend haben rund 60 Anbieter ihre Stände vor dem Einkaufszentrum Sihlcity aufgestellt. Über 6000 Interessierte haben sich per Facebook angemeldet. Unter den Besuchern sind Veganer, aber auch solche, die diesen Lebensstil einfach einmal ausprobieren wollen. 50 000 bis 80 000 Veganer leben laut der Veganen Gesellschaft Schweiz (VGS) in der Schweiz.
«Für jede Perle stirbt ein Tier»
Am Freitagmittag sind die Schlangen vor den Essständen überschaubar, der vegane Döner und die eifreien Crêpes werden neugierig beäugt. Vor dem Grillstand rettet ein junger Mann eine Wespe vom Boden. Das kulinarische Angebot wird von Fleisch- und Fischimitaten dominiert (Vish & Chips, Vleischkäsesandwich, Veggie Burger), auch die stadtbekannten vegetarischen Restaurants sind vertreten. «Vegan ist das neue Bio!», verkündet ein Werbeschild.
Ob Vegan die breite Masse so begeistern kann wie Bio, fragt man sich angesichts der nicht essbaren Produkte. Überall sind Tiere drin! Die junge Kleiderverkäuferin erklärt wo: im Reissverschluss (Knochenleim), in der Farbe (Läuse), in Lederapplikationen. Der Seifenverkäufer berichtet von Schlachtabfällen in herkömmlichen Kosmetika. Am Weinstand hören wir, dass beim Keltern häufig tierische Eiweisse eingesetzt werden. «Für jede Perle stirbt eine Muschel, das finde ich doof», sagt die Schmuckverkäuferin, die sich und ihre Windhunde vegan ernährt. Wer vegan lebt, muss auf vieles verzichten. «Das Schwierigste ist, in der Lust hart zu bleiben», sagt eine Besucherin. «Ich habe gern Fleisch, wenn ich einen Grill rieche, vermisse ich den Geschmack.»
Warum die Veganerinnen und Veganer sich das antun? Weil sie Tierfreunde sind. Sie kritisieren die industrielle Tierproduktion, den übermässigen Fleischkonsum, die Ressourcenverschwendung. Raphael Neuburger von der Veganen Gesellschaft Schweiz sagt: «Vegan ist kein Trend, sondern die nachhaltige Lebensform der Zukunft. Die Schweiz hinkt hinterher.» Andere Länder gingen viel unverkrampfter mit dem Thema um. Köchin Hoffmann bestätigt. Die Suche nach Alternativen macht sie erfinderisch. «Als neugieriger Mensch finde ich veganes Kochen spannend, weil es viel zu entdecken gibt», sagt sie. Hoffmann will die Menschen anstecken mit ihrer Begeisterung für die verspielte vegane Küche.
Proteinpulver aus Hanf
Ein anderer Veganer, der sich beherzt für den Lebensstil einsetzt, ist Matthias Kegelmann. Der 24-jährige Kraftsportler hat das Vegan Calisthenics Team gegründet und will an der Vegana zeigen, dass sportlicher Erfolg auch ohne Tierprodukte möglich ist. Calisthenics ist eine Sportart, die auf Training mit dem eigenen Körpergewicht setzt. Bekannteste Übung: Die «Human Flag», die menschliche Flagge. «Woher kriegst du das Protein?», lautet eine Frage, die der muskelbepackte Kegelmann oft hört. «Aus dem Essen», antwortet er dann. Zudem gebe es längst auch vegane Proteinpulver aus Reis oder Hanf.
Vegana, Sihlcity Zürich, 9 bis 20 Uhr. (Tages-Anzeiger)
Erstellt: 22.05.2015, 22:32 Uhr

Damit wäscht sich der Veganer: Seife, die ohne tierische Zutaten produziert wurde.
Foto: Sabina Bobst
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