Büros an bester Lage stehen leer
Blick auf den Zürichsee und wenige Gehminuten vom Bellevue entfernt: Auch Bürogebäude an Toplagen sind schwierig zu vermieten. Die Umwandlung in Wohnungen ist dennoch keine Alternative.

Die Liegenschaft an der Klausstrasse 4 ist sowohl von der Lage wie von der Architektur her herausragend. Eduard Neuenschwander – Erbauer der Kantonsschule Rämibühl – hat das spätmoderne Gebäude 1973 erschaffen. Charakteristisch ist die goldorange spiegelnde Glasfassade, die hinter den Bäumen der Uferanlage teilweise verschwindet. Wer in dem Haus durch diese Fenster blickt, sieht direkt auf den nur einen Steinwurf entfernten Zürichsee.
Bis Juni 2012 residierte das Obergericht in der Büroliegenschaft. Seither steht sie leer. In der Zwischenzeit wurde sie komplett technisch und unter Beizug der Denkmalpflege saniert. Spezialisten beendeten die Arbeiten Ende 2013. «Jetzt ist das Haus praktisch wie neu», sagt Martin Schaeppi, Präsident der Schaeppi Grundstücke Verwaltungen. Seine Gesellschaft ist für die Bewirtschaftung des Gebäudes zuständig.
Mittlerweile ist ein Teil der Fläche vermietet, die Büroausbauten haben begonnen. Die neuen Mieter sind Firmen aus der Finanzbranche. Schaeppi hofft, dass bald mehr als die Hälfte des Gebäudes vermietet ist. Vor ein paar Jahren stand eine solche Liegenschaft nicht lange leer, doch seit etwa 2010 hat sich das Blatt gewendet. «Die Vermietung von Büroflächen ist viel aufwendiger geworden», sagt Schaeppi. Nach der kompletten Sanierung ist das einstige Wohn- und Geschäftshaus ein reines Bürogebäude. Als die Miteigentümerin der Liegenschaft während der Bauarbeiten verstarb, wandelte man ihre Dachwohnung zu einem Bürogeschoss um.
Gratismiete für Neukunden
Nur wenige Meter entfernt steht an der Bellerivestrasse 30 eine weitere mehrstöckige Liegenschaft mit Seeblick leer. Sie gehört der Allreal, bis 2014 war das Haus Sitz der Versicherungsgesellschaft Skandia. «Wir standen kurz vor der Unterzeichnung eines Mietvertrages, doch leider kam er nicht zustande», sagt Allreal-Sprecher Matthias Meier. Er bestätigt, dass es schwieriger geworden ist, Büroflächen auch an erstklassigen Lagen zu vermieten. Die Vermieter seien deshalb vermehrt gezwungen, Konzessionen einzugehen.
Eine davon ist die Gratismiete: Wer heute einen mehrjährigen Vertrag für eine Geschäftsliegenschaft unterzeichnet, musst erst nach ein paar Monaten Zins zahlen. Ausserdem sind die Mieter anspruchsvoller geworden, was Ausbau und Zustand der Häuser betrifft. «Vor einigen Jahren gingen Büroliegenschaften wie jene an der Bellerivestrasse weg, ohne dass man Hand am Gebäude anlegen musste. Das ist heute kaum mehr denkbar», sagt Meier.
Das Haus stammt von 1986 und wird umfassend renoviert. Warum wandelt Allreal die Büroflächen nicht einfach in Wohnungen um? Denn während die Mieten für Büroflächen im Grossraum Zürich leicht sinken, steigen jene für Wohnungen in den Grosszentren, das zeigt die jüngste Auswertung des Raumentwicklungsbüros Fahrländer. Meier winkt ab: Solche Umbauten seien nicht einfach, dafür müssten viele Hürden genommen werden. Zuerst müsse abgeklärt werden, ob und in welchem Ausmass überhaupt Wohnungen gebaut werden dürften. Sind sie zulässig, stellen sich bautechnische Probleme. Büros wurden nicht als Wohnungen konzipiert, Haustechnik und Anschlüsse liegen deshalb ungünstig. An der Bellerivestrasse würde sich laut Meier wahrscheinlich ein Ersatzneubau aufdrängen. «Das ist mit grossen Investitionen verbunden. Ob sich mit Wohnungen ebenfalls eine vernünftige Rendite erwirtschaften liesse, ist fraglich.»
Grossfirmen verschieben Büros
Gemäss dem Beratungsunternehmen Wüest & Partner steht in Zürich rund jedes 13. Büro leer, was einer Mietfläche von 730'000 Quadratmetern entspricht. Diese «Angebotsziffer» beinhaltet alle auf dem Markt angebotenen Büroflächen. Sie weicht deshalb von den effektiven Leerbeständen ab, die in der Regel deutlich tiefer sind. Statistik Stadt Zürich wies Mitte September letzten Jahres 265'000 Quadratmeter leere Büro- und Praxisflächen aus, was einer Zunahme von 10 Prozent gegenüber 2013 entspricht. Grund für das Überangebot sind einerseits die vielen neuen Geschäftsbauten in Zürich-Nord und an der Europaallee sowie in den angrenzenden Gemeinden. Zudem haben Versicherer und Banken teure Innenstadtbüros aufgegeben und verschieben diese in günstigere Randgebiete.
Erstellt: 03.05.2015, 20:53 Uhr
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