«In der Minderheit hat man weniger Gestaltungspotenzial»
Als Stadtpräsident möchte Filippo Leutenegger Strategien für die Zukunft entwickeln.
Wie stellen Sie Ihren Karton bei der Kartonabfuhr vor das Haus?
Gebündelt und verschnürt.
Wer das nicht so macht, muss mit einer saftigen Busse rechnen. Ist das nicht übertrieben?
Davon habe ich kürzlich erfahren. Ich habe das Thema auf die Traktandenliste mit dem ERZ-Chef gesetzt.
Das ist eine typische Antwort des Stadtrats Leutenegger.
Ich kläre gerne erst die Fakten ab, bevor ich verbindlich antworte. Gibt es eine einfachere Methode, die praktikabel und ökologisch ist, führen wir sie ein. Aber das muss ich erst abklären.
Der Flop mit den Sonnenschirmen hat Ihnen Spott und den Titel eines Schattenministers eingebracht. Können Sie damit leben?
Ja, gut sogar. Das mit den Sonnenschirmen ist im ersten Anlauf noch nicht gelungen – es hat die Stadt aber keinen Rappen gekostet. Und wir sorgten im Sommerloch immerhin für Unterhaltung in den Medien.
«Zweiradverkehr in der Stadt ist sehr effizient, aber das Gewerbe ist auf Parkplätze angewiesen.»
Verwaltungsintern wurden Sie vor den gewählten Sonnenschirmen gewarnt. Warum haben Sie nicht auf die Fachleute gehört?
Das stimmt nicht.
Die Information stammt aus Ihrem Umfeld.
Sie stimmt trotzdem nicht. Hätte mir der Stadtingenieur gesagt, dass die Schirme nicht taugen, hätte ich sie sicher nicht aufstellen lassen. Meine Leute verliessen sich auf die Angaben des Lieferanten.
Der untere Teil der Rämistrasse ist für Sie der Schandfleck Zürichs. Ein Projekt soll ihn verbessern – ausgelöst wurde dieses durch die Forderung eines Velowegs. Glauben Sie, dass die Bevölkerung Dutzende von Millionen ausgeben wird für ein paar Meter Veloweg?
Die Tramgleise müssen so oder so 2025 ersetzt werden, daher können sie schon gut 20 Millionen abziehen. Wir werden bei der Projektierung versuchen, die Kosten zu drücken. Wir erhalten aber eine hervorragende Lösung für Fuss- und Veloverkehr, optimieren die Situation für Tram und Autos und werten das Gebiet städtebaulich auf.
Grüne Gemeinderäte werfen Ihnen vor, Velowege zu verzögern, aber um jeden Parkplatz zu kämpfen.
Bei der Verkehrspolitik bin ich pragmatisch. Ich will nicht Zweirad gegen Auto ausspielen. Der Veloverkehr in der Stadt wird massiv gefördert und wurde in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, das gabs noch nie. Zweiradverkehr in der Stadt ist sehr effizient, aber das Gewerbe ist auf Parkplätze angewiesen.
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So sympathisch, dass auch Gegner ihn respektieren

«De Filippo»: Was Parteifreunde und Kritiker über den meistbeachteten Zürcher Stadtrat sagen.
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Das ERZ mit Chef Urs Pauli sorgte für einen Skandal in Ihrem Departement. Hat Sie das getroffen?
Zuerst dachte ich: Was habe ich denn da geerbt? Das Ausmass konnte ich zu Beginn nicht erahnen. Das ERZ hatte sich in den letzten gut 15 Jahren immer mehr von den Regeln der Stadtverwaltung abgekoppelt.
Vor allem die AL wirft Ihnen vor, Hinweise lange ignoriert zu haben.
Ich höre täglich Gerüchte. Damit ich intervenieren kann, brauche ich konkrete Hinweise und Fakten. Weder über das Dienstfahrzeug noch über sonst was lag irgendetwas vor. Als ich merkte, dass da etwas wirklich nicht stimmt, musste ich erst Fakten haben, danach handelte ich unverzüglich.
Jedes Dossier muss über Ihren Tisch. Sind Sie ein Kontrollfreak?
Vor vier Jahren galt ich in den Medien als Überflieger, der sich nicht um Details kümmert, nun als Kontrollfreak. Diese Etiketten interessieren mich nicht besonders. Relevante Geschäfte, die ich im Parlament vertreten muss, will ich bis ins Detail verstehen, sonst kann ich sie nicht vertreten. Darum frage ich nach und mache mir vor Ort ein Bild.
Sie sind einer von drei Bürgerlichen im Stadtrat gegen sechs Linke. Ist der Frust gross bei Ihnen, weil Sie deswegen oft unterliegen?
Ich bin eine Frohnatur. Mit meiner Lebenserfahrung überstehe ich das. Bisweilen nervt es, weil man in der Minderheit weniger Gestaltungsmöglichkeiten hat.
Als Stadtpräsident würden Sie wohl einem linken Stadtrat vorstehen. Was würde das bedeuten?
Der Stadtpräsident hat keine Macht, aber Einflussmöglichkeiten. Er muss Strategien für die Zukunft anstossen, beispielsweise bei den Spitälern und den Finanzen. Steigen die Zinsen, sinken die Steuereinnahmen. Um den Wohlstand Zürichs langfristig zu sichern, braucht es zudem eine Strategie, damit auch internationale Firmen hier Steuern zahlen und um unseren Wohlstand zu sichern.
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