Die Unterbelichteten
Wer in der Nacht ohne Lampe Velo fährt, hält sich für heller, als er ist.
Während der dunkeln Saison trifft man sie häufig in Zürich, Velos ohne Licht, plötzlich sind sie da, wie aus dem Nichts. Niemand mag solche Schwarzfahrer, weder Automobilisten, Fussgängerinnen noch andere Velofahrer. Selbst die Organisation Pro Velo warnt davor, wie «20 Minuten» berichtete.
Wie verbreitet das Phänomen ist, lässt sich nicht genau sagen. Die Zürcher Stadtpolizei büsste 2015 263 Velofahrer, weil sie kein Licht hatten. 2016 waren es 142, ein Jahr später 170. Diese Zahlen sagen aber eher etwas über die Kontrolltätigkeit der Polizei aus. Gemäss regelmässigen Schwarzfahrern ahndet diese das Delikt zurückhaltend. Die Zahl der Unfälle, an denen unterbelichtete Velofahrer Schuld haben, wird nicht erhoben.
Das Schwarzpedalen wird als Teil des gern geschmähten Velo-Rowdytums gedeutet. Doch die Sache hat einen banaleren Grund: die Licht- anlage. Sie ist die Geisel der Velofahrer. Alte Rolldynamos erschweren das Treten um ein gefühltes Drittel, sie streiken, sobald drei Regentropfen fallen, Verbindungskabel reissen ständig. Modernere Aufschnallleuchten hingegen werden zuverlässig gestohlen, wenn man sie am Lenker vergisst (was man zuverlässig tut), der Akku ist im dümmsten Augenblick leer. Die verlässlichste Variante, der Nabendynamo, macht eine grössere Umrüstung und komplizierte Reparaturen nötig. Dazu kommt ein klassischer Fehlschluss. Viele Velofahrer, die nachts lampenlos unterwegs sind, glauben, dass sie gesehen werden; sie selber sehen ja alle anderen auch. Diese Illusion wirkt besonders gut in hellen Stadtstrassen.
Wenn Veloleuchten so einfach funktionierten wie Autoscheinwerfer, würden wohl viel weniger Velofahrer dunkel vor sich hin pedalen. Schwarzfahrer sind oft keine Rüpel, sondern einfach nachlässig. Ausserdem überschätzen sie ihre Sichtbarkeit. So gesehen passen sie bestens nach Zürich.
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