Grosser Lokalradio-Test am Tag vor der Entscheidung
Morgen verkündet Bundesrat Leuenberger, welche Radios im Grossraum Zürich senden dürfen. Nur für drei von fünf gibt es Frequenzen. Der TA hat seine Favoriten erkoren.
Für die grossen Zürcher Privatradios geht es morgen faktisch ums Überleben. Bundesrat Moritz Leuenberger (SP) wird bekanntgeben, welche Stationen eine Konzession für das Sendegebiet Zürich-Glarus erhalten. Doch nicht nur die drei etablierten – Radio Zürisee, Radio NRJ und Radio 24, das wie der «Tages-Anzeiger» zu Tamedia gehört – buhlen um die drei «grossen Konzessionen».
Daneben erheben auch Roger Schawinskis Radio 1 und Guiseppe Scaglione mit Radio 105 Anspruch auf das attraktive Sendegebiet mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern. Hat einer der beiden Erfolg, verschwindet ein alteingesessener Sender aus dem Äther, weil er keine UKW-Frequenzen mehr erhält. Zwar könnte er auf Kabel oder via Internet weiter senden, doch ist dies kommerziell uninteressant.
Schawinski steht zweimal an
Für den Entscheid relevant seien nicht Hörerzahlen oder der kommerzielle Erfolg, heisst es im Departement Leuenberger, vielmehr gehe es um die publizistische Qualität und deren Sicherung durch Ausbildung und genügend Personal. Relevant, vielfältig und auch regional sollen die Meldungen sein, wird gefordert.
Sollte Radio 1 von Roger Schawinski die grosse Zürcher Konzession nicht erhalten, sind seine Chancen intakt, wenigstens in der Stadt Zürich weiter senden zu dürfen. Er hat sich als einziger Radiomacher nicht nur für die grosse, sondern auch für die «kleine Konzession» (Stadtgebiet) beworben, für die auch Radio Monte Carlo Zürich und ZüriLive anstehen.
Tele Top oder TeleZüri?
Morgen wird auch bekannt gegeben, welches Privatfernsehen eine Konzession für Zürich-Nordostschweiz erhält. Darum bewerben sich Tele Top von Günter Heuberger und TeleZüri, das zu Tamedia gehört. Wer die Konzession erhält, muss auf Kabel aufgeschaltet werden. Zudem erhält er jährlich 1,5 Millionen Franken für die Produktion regionaler Fenster für den Thurgau und Schaffhausen. Wer leer ausgeht, darf weiter senden, ist an kein Gebiet gebunden, muss indes ohne Aufschaltpflicht und Bundesgelder auskommen. (rd)
Die fünf Konkurrenten um die drei Zürcher Konzessionen im Vergleich
News
Die Top-Meldung um 7 liefert das Langstrassenquartier, wo die Deutschen im Vormarsch sind. Das wird später in einem Beitrag mit O-Ton vertieft - obwohl die Info schon vom Vortag stammt. Weitere Themen: Zweimal SVP (Sozialahilfe/Personenfreizügigkeit), ein entwichener Häftling, US-Wahlen, Börse, Eishockey. Die Schlagzeilen um 7.30 beginnen mit «fünf Jahre Südanflüge». Um 8 wieder ein neues Top-Thema: Paintballattacke in Zürich, die Quelle («20 Minuten») wird verschwiegen. Der ständige Wechsel der Themen verwirrt und wirkt aufgesetzt.
Moderation
Ungewohnte Stimme am Morgen: Elena Bernasconi springt für Patrick Hässig ein, der normalerweise den «Ufsteller» moderiert. Sie macht das wenig originell, aber solid und unaufdringlich, was durchaus angenehm ist. Sprücheklopfer um diese Zeit wären ein Absteller.
Musik
Mit dieser Musik eckt man ganz bestimmt bei niemandem an: Pop-Mainstream von gestern bis heute füllt die Lücken zwischen den Wortbeiträgen. Von Elton Johns «Sad Songs» bis zum aktuellen Hitparadenstück von «Ich + Ich»: «So soll es bleiben.» Es dominiert der Viervierteltakt (meist in langsamer Ausführung), und die Melodien sind eingängig bis langweilig. Genau das Richtige für Autofahrer.
Service
Die Autofahrer sind ein wichtiges Zielpublikum. Sie werden zweimal ausführlich über Verkehrsbehinderungen informiert, und auch die Wetterfee, die von Schnee und Regen berichtet, denkt speziell an sie («das ist unangenehm, wenn man grad auf der Autobahn fährt»). Wenigstens ist der Ausblick aufs Wochenende besser. Das aktuelle Wetter wird viermal gemeldet: um 7.06, 7.15, 7.32 und 7.51 Uhr.
Werbung
Die Sportnews sind von einer Firma für Hauswartung gesponsert, die Verkehrsmeldungen von einer Versicherung. Zum Thema Wirtschaft redet der Chefredaktor der Handelszeitung, Martin Spieler. Zwischen sieben und halb acht gibt es einen längeren Werbeblock, in der folgenden halben Stunde einen kürzeren. Auch hier sind die Autofahrer wieder überdurchschnittlich angesprochen.
Die Bilanz
«Das isch Züri» - der Slogan passt. In den News stehen lokale/regionale Themen im Vordergrund, auch wenn es von anderswo Wichtigeres zu berichten gäbe. Wetter, Verkehr, Werbung, Comedy: Alles auf Zürich fokussiert. Wer Kurzinfos will, wird bedient. Wer Hintergründe erwartet, weniger. Susanne Anderegg
News
Radio Zürisee verwechselt Qualität zwar nicht mit Quantität - aber mit Tempo. «Immer 5 Minuten besser» sind die News nämlich nicht, auch wenn sie früher gesendet werden als anderswo: Zweimal pro Stunde gibt es das gleiche Stakkato nachgeplapperter Zeitungsmeldungen aus der Region, dazu eine homöopathische Dosis Ausland. Nicht gerade von Qualitätsjournalismus zeugen Anschuldigungen im O-Ton ohne Replik oder ein Korrespondent, der von Indien aus über das Erdbeben in Pakistan berichtet. Mehr ist nicht - ausser Enttäuschung.
Moderation
Die geerdete Stimme von Andrea Schwyzer nervt nicht mit dem zwanghaft juvenilen Überdruck anderer Lautsprecher. Für Morgenmuffel ist eine Wohltat, dass ihre wortkarge Morgenshow gar keine ist. Nur selten kippt sie auf Witz komm raus. Gut schwyzerisch eben.
Musik
Hier spielt die Musik für Mittvierziger, die im Auto auf der Seestrasse Ruhe haben wollen. Hiphop oder Garagenrock für die Jugend gibt es nicht, dafür Hits von Peter Gabriel und Mike Oldfield. Die haben zwar Patina angesetzt, funktionieren aber noch immer. Bei Zeitgenössischem hat man am Zürisee ein weniger glückliches Händchen: Der Weichspüler-Sound klingt wie aus der Wühlkiste von Ex Libris.
Service
Autofahrer werden mit einer Shock-Behandlung überrollt: Alle 10 Minuten ergiesst sich eine Flut an Verkehrsnachrichten. Die guten Dienste kennen kaum Grenzen: Selbst die bei Hörern mit Bleifuss geschätzten Radarwarnungen gibt es hier. Vereinzelte Veranstaltungstipps, nüchterne Wetterprognosen und Börsen-News ergänzen das Programm.
Werbung
Mit nur zweimal zwei Werbebotschaften pro Stunde zeigt sich Radio Zürisee von der angenehmen Seite. Die Sponsoren-Jingles, welche die Service-Gefässe einleiten, sind unverdächtig - die Regiobank Clientis etwa ist sicher kein Big Player, der einem mittels manipulierter Börsen-News Ramschpapiere unterjubelt. Ein Schocker ist nur, wenn es morgens 7 Uhr schlägt - «mit em Auge-Laser-Center».
Die Bilanz
Der Sender plätschert harmlos und altbacken dahin. Er tut niemandem weh. Relevante Infos und Ausgehtipps aus der Region sind aber Mangelware, die billig produzierten News-Gefässe ein happiges Manko. Ob es reicht, «5 Minuten besser» zu sein, hängt von der Konkurrenz im älteren Hörersegment ab. Marius Huber.
News
Nachrichten um 7.00, 7.30 und 8.00 Uhr. Alle praktisch identisch - wer sie zum dritten Mal hört, kann sie auswendig. Nichts, was über die Morgenzeitungen hinausgeht, so auch die Spitzenmeldung: Steinbrück und der SVP-Nazi-Vergleich, mit Mörgeli-Quote. Dann die RS-Story des «Blicks» und das von DRS verbreitete SVP-Ja zur Freizügigkeit. Trotz Ankündigung im Internet kein Wort über den Wintereinzug. Keine Primeurs, keine Zürcher Geschichte ausser dem Resultat der Kloten Flyers vom Vortag - für ein Zürcher Radio unter dem Existenzminimum.
Moderation
Aufgedreht, laut, hektisch. Roman Kilchsperger bringt vor allem eine Botschaft rüber: Er findet sich selber sauglatt und originell. Kostprobe: «Es wird kalt. Ich hatte heute Pinguine auf dem Autodach.» Oder: «Also, die langen Unterhosen bis unter die Achseln hochziehen.»
Radio Energy verspricht «Hit Music Only» als eine seiner Hauptleistungen. Die Mischung war in dieser Stunde weder besonders originell noch war ein musikalisches Profil erkennbar - deutsch und englisch, schnelle Rhythmen (Pink, Lady Gaga) und auch wieder einschläfernde (Jack Johnson) in bunter Abfolge.
Service
Der Zürcher Stadtarzt Albert Wettstein überbrückt die fehlenden Recherchen als Studiogast und gibt Auskunft über frühwinterliche Erkältungen. Lange Liste mit Meldungen über Staus auf den Strassen: «Ein Horror heute.» Die Hörer werden geduzt: «Du schtasch im Stau in . . .» Durchsagen mit Standorten von mobilen Tempokontrollen, die der Bund künftig verbieten will.
Werbung
Sponsoring bei verschiedenen Sendeteilen (u. a. Wetter, Verkehr). Werbung wird nicht beliebig in die Sendung eingestreut, sondern in kompakten Blöcken jeweils vor den Nachrichten. Eine gute Gelegenheit, um auszusteigen und den Sender zu wechseln, zumal auch die Nachrichten bei der Konkurrenz besser, aktueller und mehr auf Zürich orientiert sind.
Die Bilanz
«Der Sender, der seinen Hörern die Stars näherbringt.» So ein Slogan von Energy - ein beliebiges Konzept, das sich überall in der Schweiz einsetzen liesse. Das Leben im Grossraum Zürich wird nicht gespiegelt. Die journalistische Qualität ist dürftig. Roger Keller
News
Nachrichten alle halben Stunden. Meist kurze Beiträge von Redaktoren/Korrespondenten. Viele O-Töne. Um 7 Uhr Schwerpunkt mit dem Nein der SVP-Leitung zur Personenfreizügigkeit. Gefolgt von u. a.: SVP-Nationalrat Spuhler zu seinem UBS-Engagement, Publizist Roger de Weck zum Steuerstreit mit der EU, Erdbeben in Pakistan, Neues von der Wallstreet, Sport. 7.30-Uhr-News kürzer. Danach Info-Themen wie etwa der Wintereinbruch. News um 8 aktualisiert (Ökobilanz der Schweizer, Paintball-Schüsse in Zürich). Fazit: 7 bis 8 Information pur.
Moderation
Die Morgenstimme von Radio 1 - Marc Jäggi - ist zwischen 7 und 8 Uhr vor allem mit An- und Abmoderieren der Beiträge seiner Kollegen beschäftigt. Über die ganze Morgensendung betrachtet (5.30 bis 10) drückt der Berner «Schnurri» aber seinen Stempel auf - und polarisiert.
Musik
Die Musik auf Radio 1 erinnert an alte Zeiten: Hier werden Lieder gespielt, die man vergessen glaubte - und nicht immer unglücklich darüber war. Toto, Bob Dylan und Dirty-Dancing-Schnulzen. Mit gelegentlichen Ausflügen in den Reggae löst Radio 1 ein Versprechen an den Vorgänger auf der Frequenz, Radio Tropic, ein. Aktuelle Hits haben Seltenheitswert. Es läuft die ewig gleiche alte Platte.
Service
Servicemässig dominieren die üblichen drei Verdächtigen: Das Neueste von der Börsen-, Wetter- und Verkehrsfront - in dieser Reihenfolge jeweils nach den Nachrichten. Dazu schaltet Moderator Marc Jäggi in die «Service-Redaktion» zu Sabrina Schenardi. Was von ihr kommt, ist sachlich und unaufgeregt.
Werbung
Die Werbeblöcke - zwei bis drei Spots - werden jeweils vor den Nachrichten ausgestrahlt. Sie sind kurz, in Schweizerdeutsch gehalten. Sponsoren haben das Comedy-Telefon um 7.20 Uhr (Elektro-Branche), die Börsen-Nachrichten (Wirtschaftsmagazin), das Wetter (Pneu-Anbieter) und die Verkehrsmeldungen (Autobranche).
Die Bilanz
«Radio 1 - nur für Erwachsene» - eine schnelle Newsredaktion, die Schwerpunkte setzt. Thematisch relevant und vielfältig, wie das die Entscheidungsträger in Bern wünschen. Zürich ist Thema, aber nicht Vollzeitprogramm. Dem Musikmix täte etwas jugendliche Frische gut - das mögen auch Erwachsene. Claudia Imfeld
News
Nachrichten auf Radio 105? Fehlanzeige. Der Kabel- und Internetsender begnügt sich mit Zeitangaben zur vollen Stunde (oder zwei Minuten danach), um danach nichts als Musik durch den Äther zu pumpen. Bekommt Radio 105 Züri die UKW-Frequenz, soll sich das ändern: Chef Guiseppe Scaglione verspricht stündliche Nachrichten von 6 bis 20 Uhr sowie Info-Magazine. Darin mache man das gross zum Thema, was für die 15- bis 40-Jährigen interessant sei: «Politik, Kultur, Mode, Musik, Wirtschaft, Wissenschaft, Design, Szene, Sport, Freizeit, Soziales.»
Moderation
«Es isch 7i gsi» und «Es isch 8i gsi»: Das sind ausserhalb des Werbeblocks die einzigen Sätze, die man um diese Zeit auf dem bisherigen Radio 105 zu hören bekommt. Gesprochene Beiträge und Rubriken streut der Sender erst später am Tag ins Programm ein. Und Musiksendungen wie «Dope» und «Nightlife» sind sogar live moderiert. Bei 105 Züri soll dann der Wortanteil auf 25 Prozent steigen.
Musik
Viel Sprechgesang, viel Musik aus Strom, viel harte Gitarren: Radio 105 schafft es locker, sich vom musikalischen Einheitsbrei der meisten Privatradios abzuheben. Die Mischung aus Rock, Hiphop, R ’n’ B und Elektropop wäre der perfekte Soundtrack für genervte S-Bahn-Pendler. Oder für das Autoradio im Golf GTI. Am Zmorgetisch ist das überdrehte Menü dagegen nur schwer verdaulich.
Service
Keine Staumeldungen. Kein Wetterbericht. Keine Veranstaltungshinweise. Keine Börsenkurse. Nur Musik. Wenn 105 Züri als UKW-Radio auf Sendung geht, will es seinem Publikum aber einen umfassenden Verkehrs-, Wetter- und Ausgehservice bieten.
Werbung
Klassische Werbeblöcke gibt es zwischen 7 und 8 Uhr keine. Dafür taucht plötzlich ein Sponsor auf: Der Internetshop Cede.ch, bei dem es laut Werbespot gerade die brandneue Platte der Kaiser Chiefs zu kaufen gibt, präsentiert eine halbe Stunde «Nonstop-Music». Und prompt läuft in dieser halben Stunde auch die neue Single der Kaiser Chiefs. Zufall?
Die Bilanz
Radio 105 Züri gibt es erst auf dem Papier. Der Vorläufer im Kabel lässt kaum Rückschlüsse zu, wie der Sender einmal als UKW-Vollprogramm tönen wird. Ausser bei der Musik: Der mutige Mix von Radio 105 («It’s not radio, it’s one-o-five») wäre eine längst fällige Frischzellenkur für den Zürcher Äther. Patrick Kühnis
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