Spitzensport im Kinderbad
Statt durch den Schlamm kurven die Radquerfahrer am Bike Festival über die Josefswiese. Der Anlass bietet aber noch mehr Spektakel.
Pfeilschnell biegen die Radsportler in den Kiesweg um die Josefswiese ein. Sie fahren über den Sand des Beachvolleyballfeldes, zurück dem Rasenrand entlang und durchs tiefe Kies bei den Schaukeln bis zur Treppe aufs Lettenviadukt. Aus dem Lautsprecher tönt die Stimme des Speakers: «Und nun wird wieder geschultert. Ja, meine Damen und Herren, das ist Radquer mitten in der Stadt.» Die zahlreichen Zuschauer im Park, darunter viele Familien, jubeln.
Urban Cyclocross heisst das Rennen, das am Samstag zum zweiten Mal mitten in Zürichs Industriequartier stattgefunden hat. Es ist Teil der internationalen Radquerserie EKZ CrossTour anlässlich des Urban Bike Festivals, das noch bis heute Abend dauert. Präsident Christian Rocha sagt: «Velo wird heute vor allem in der Stadt gefahren. Deshalb haben wir eines unserer Rennen ins urbane Umfeld verlegt und die Bedingungen etwas angepasst.»
Anders als bei den Austragungen im freien Feld ist der Rundkurs kürzer. Gestartet wird in kleinen Gruppen, Amateure und Profis gemischt. Die besten Fahrer kommen weiter. Am anderen Ende des Viadukts rasen die ersten Sportlerinnen die Treppe hinunter, die einen laufend, die anderen im Sattel. Sie nehmen Kurs Richtung Kinderplanschbecken. «Hopp, hopp», rufen die Zuschauer. Ein Trainer rennt über die Wiese zurück zum Ziel an der Josefstrasse. Seine Fahrerin passiert die Pumptrack Richtung Zielgerade und überquert die Linie als zweite der Serie. Auf der Fahrradrolle neben der Kehrichtverbrennung machen sich derweil zwei Männer warm.
Fixie mit Elektroantrieb
Der Trend des Radfahrens bis hin zum Spitzensport ist längst in der Stadt angekommen. Eineinhalb Velos besitzt jeder Zürcher Haushalt, das Velo gilt als Lifestyle-Produkt. Als Schaufenster der Velokultur und der urbanen Mobilität versteht sich denn auch das Urban Bike Festival, das heuer zum zweiten Mal rund um den Schiffbau stattfindet. Der Ort widerspiegelt für die Macher genau jene Atmosphäre, die zur derzeitigen Velokultur passt. Mit-Organisator Erwin Flury sagt: «Das traditionelle Fortbewegungsmittel macht derzeit eine enorme Entwicklung durch. Genau wie das Quartier Zürich-West.»
Wohin der Velotrend in Sachen Fahrrad geht, ist am Festival unübersehbar. Fast an jedem zweiten Stand stehen Elektrobikes zum Test bereit, die Auswahl schier erdrückend. Sie reicht vom puristischen E-Fixie, dessen Akku im Rahmen kaum auffällt, über das gefederte E-Mountainbike, das einem Motorrad ähnelt, bis hin zum schnittigen E-Designrad, das den ganzen Bordcomputer im Rahmen eingebaut hat. Der Absatz gibt den Herstellern recht. Allein letztes Jahr waren von den schweizweit verkauften rund 325'000 Fahrrädern mehr als jedes fünfte elektrisch angetrieben.
Hochsprung in den Pedalen
Dass ein Radquer in der Stadt und einige Veloaussteller aber noch zu wenig für das richtig grosse Spektakel sind, weiss auch Mit-Initiator Flury. Der 55-jährige Zürcher organisiert seit über 20 Jahren «freestyle.ch». Ein solcher Anlass braucht Stars, die das Publikum zum Staunen bringen. In Sachen Velo heisst dieser Publikumsmagnet Danny MacAskill. Der Schotte fährt und springt auf seinem BMX-Rad über alles, was eine Stadt zu bieten hat. Er balanciert über Brückengeländer und Zäune, springt auf vier Meter hohe Mauern, landet nach einer 360-Grad-Drehung wieder auf dem Boden und fährt weiter. Auch den Purzelbaum über einen Gymnastikball beherrscht er. Sein erfolgreichstes Youtube-Video wurde über 65 Millionen Mal angeklickt.
Danny MacAskill bei einem Videodreh rund ums Bellevue. Quelle: Youtube
Am Urban Bike Festival ist er mit seinem «Drop and Roll»-Team bereits zum zweiten Mal zu Gast (mit Shows heute um 13 und 16 Uhr), der Publikumsaufmarsch entsprechend gross. «Danny, Danny, Danny», schreien die Kinder in der ersten Reihe auf dem Turbinenplatz, als MacAskill auf seinem BMX zum Sprung über die Hochsprunglatte auf 1.18 Metern ansetzt. Sie wissen auch, warum. Auf einem Podest stehen unter anderem Caps, Flaschen und eine Go-Pro-Kamera bereit. Event-Speaker Hendry Jackson sagt: «Wer am MacAskill und seine zwei Mitstreiter am lautesten anfeuert, wird belohnt.» MacAskill nimmt Anlauf, zieht sein Rad hoch und überquert die Latte als einziger, ohne zu reissen. Die Zuschauer kreischen, die Caps fliegen. Weiter
Garderobe für den Liebling
Auch das neuste Velozubehör erinnert kaum noch an unästhetisches Outdoorequiment für Ausflüge aufs Land. Satteltaschen sind neu aus wasserdichtem Stoff so schlicht und dezent gemacht, dass man damit auch bei einem Tonhallenbesuch nicht negativ auffallen würde. Das neuste Helmmodell trägt man als Halskrause, bei einem Sturz bläst sich der Airbag rund um den Kopf auf. Selbst die reflektierenden Velobänder, mit denen man Hosenbeine vor Kettenschmutz schützen kann, bieten heute einen Mehrwert. Darin versteckt ist eine moderne Einkaufstüte, die man auch als Sattel- oder Helmschutz verwenden kann.
Und auch Möbelstücke für Fahrräder gibt es schon. Eine Garderobe mit spezieller Kerbung, um das Rad an der Mittelstange daran aufzuhängen, inszeniert das teuere Stück in den eigenen vier Wänden prominent. Das Rad ist also definitiv in der Stadt(-wohnung) angekommen.
City Ride: Heute 14.30 bis 17 Uhr vom Schiffbau aus.
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