Stadtpolizei schnüffelt in Schwulenforen
Die AL schiesst gegen «ihren» Stadtrat Richard Wolff. Weil seine Polizisten im Netz nicht nur gegen Pädophile ermitteln, sondern auch schwule Stricher als Schwarzarbeiter entlarven.

Unter dem Namen «Zauberlehrling69» war der Beamte der Stadtpolizei auf der Homosexuellen-Website Planetromeo aktiv. Über mehrere Jahre, wie das Schwulenmagazin «Cruiser» in seiner neuesten Ausgabe schreibt. Der Stadtpolizist kontaktierte dort 2016 einen jungen Mann, der auf der Website eine Thai-Massage anbot und von dem er vermutete, illegal zu arbeiten.
Der Beamte ging weit, verhandelte den Preis und vereinbarte mit dem jungen Mann einen Treffpunkt in der Stadt Zürich – wo er diesen auch in Gewahrsam nahm. Der Thailänder, der seine Ferien bei einem Freund in der Schweiz verbrachte, und sich seinen Aufenthalt mit Thai-Massagen zu finanzieren hoffte, wurde in eine Zelle des Zürcher Polizeigefängnisses gesteckt und nach mehrfacher Einvernahme ohne rechtlichen Beistand des Landes verwiesen.
Die Praxis der Zürcher Polizei kritisiert nun die Stadtzürcher AL in einer gestern im Gemeinderat eingereichten schriftlichen Anfrage an den Stadtrat. Die Gemeinderäte David Garcia Nuñez und Christina Schiller stellten in dem Papier unter anderem die Frage nach der Verhältnismässigkeit des Vorgehens der Polizisten und nach deren Kompetenzen im Falle von Internetfahndungen. Ebenso wollten sie wissen, ob sich die Arbeit der Polizei seither auch auf andere Bereiche ausgeweitet habe und welche Ergebnisse bisher vorlägen.
Gesetz gegen Pädosexuelle ausgeweitet
Die Internetfahndung der Polizei im Fall des jungen Thailänders war möglich aufgrund einer Anpassung des Polizeigesetzes aus dem Jahr 2012, die es Beamten erleichtern soll, in einschlägigen Foren verdeckt zu fahnden. Um pädosexuelle Straftäter leichter fassen zu können, hiess es mit Verweis auf die «Lara13»-Problematik. Sicherheitsdirektor Mario Fehr sagte damals in der Parlamentsdebatte, dass solche verdeckten Fahndungen nur «zurückhaltend eingesetzt würden», zum Beispiel im Falle von Menschenhändlerringen. Nun hat sich die Praxis offenbar ausgeweitet.
Rechtens, wie der Schweizer Freund des Ausgeschafften merken musste. Er focht den Strafbefehl vor Gericht an – ohne Chance. Die Erklärung des Richters in zweiter Instanz: Der Beamte sei nur als «verdeckter Fahnder» und nicht als «verdeckter Ermittler» aufgetreten. Zweitgenannte unterliegen strengen Vorschriften und kommen nur bei schweren Delikten zur Anwendung. Für Erstgenannte aber gelten seit 2012 beinahe keine verbindlichen Regeln mehr, die Beamten brauchen für eine Internetrecherche seit dem neu bearbeiteten Paragrafen kein Einverständnis eines Vorgesetzten.
Experte wirft Wolff mangelnde Sachkenntnis vor
Brisant an der Sache: Im «Cruiser» zitiert wird auch der AL-Sicherheitsvorsteher Richard Wolff, an den sich die AL-Kritik im Grunde richtet. Auf die Frage, warum die Polizei ausgerechnet Escorts «jage», zitiert der Artikel eine schriftliche Antwort Wolffs, wonach sich die jungen männlichen Prostituierten im Netz strafbar machten. Wolff allerdings widerspricht der Darstellung im «Cruiser»: «Der Autor hat die Zitate aus dem Zusammenhang gerissen – ich habe dem Journalisten auf einen allgemein gehaltenen Brief in allgemeiner Form geantwortet. Und nicht diesen konkreten Fall beurteilt.» Es sei zudem nicht Aufgabe der Politik, sich in die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden einzumischen, sagt Wolff weiter.
In diesem allgemein gehaltenen Brief Wolffs steht auch, dass oben erwähnte Kontrollen nicht zuletzt dem Schutz der Sexarbeiter dienen würden. Dem widerspricht der Journalist und Szenekenner Oliver Demont, der auf Internetportalen eine Möglichkeit zu Unabhängigkeit für junge Sexarbeiter sieht. Wolffs Einschätzungen zeugten von mangelnden Kenntnissen der Situation, sagt er weiter.
Für die AL ist die Kritik an «ihrem» Stadtrat so kurz vor den Wahlen kein Problem. «Im Unterschied zu anderen Parteien kritisieren wir sachbezogen und unabhängig zu poltischen Ausrichtungen», sagt Garcia.
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