Tipps aus Oerlikon für die New Yorker
In Zürich oft übersehen, sorgt ein Wandgemälde des Künstlerduos Fischli/Weiss jetzt in New York für Aufsehen. Eines, das hier ziemliche Irritationen auslöste.

Tausende Pendler fahren täglich mit dem Zug daran vorbei. Doch viele wissen nicht, dass es sich um ein Kunstwerk handelt. Und dass es von zwei der renommiertesten Schweizer Gegenwartskünstlern stammt. Die Rede ist von der Wandinstallation «How to Work Better», die das Künstlerduo Fischli/Weiss 1991 am Bürogebäude an der Binzmühlestrasse 14 in der Nähe des Bahnhofs Oerlikon angebracht hat.
Das Kunstwerk ist etwa 20 Meter hoch und 4 Meter breit und besteht aus zehn Ratschlägen in englischer Sprache, die in blauen Schablonenbuchstaben auf die Fassade des Bürogebäudes gemalt wurden. Übersetzt heissen sie etwa: «Mach eines nach dem andern», «Erkenne das Problem», «Lerne zuzuhören», «Bleibe ruhig», «Lächle». Zehn kurze, instruierende Sätze darüber, wie man besser arbeitet.
Manifest an der Hausmauer
Was in Zürich ein eher unscheinbares Dasein neben den Bahngleisen am Stadtrand fristet, erhält seit kurzem mitten im weltläufigen Manhattan einen grossen Auftritt. Dort, an der Ecke Houston und Mott Street, wurde vor wenigen Wochen eine originalgetreue Kopie des Fischli/ Weiss-Manifests an eine Hausfassade gemalt – die Installation wird bis kommenden Mai dort zu sehen sein. Der Grund für den Zürcher Wandbildexport in die USA ist die grosse Retrospektive des Schweizer Künstlerduos im Guggenheim Museum. Sie dauert noch bis zum 27. April.
Daneben dient das Fischli-Weiss-Manifest aus Zürich auch als Titelmotiv für den Ausstellungskatalog, und es ist als Poster im Museumsshop erhältlich. Und noch ein weiteres Werk der beiden Schweizer Kunststars sorgte in New York für Furore: So flimmerte während des ganzen Februars ihr Katzenvideo «Büsi» (2001) am Times Square über die Werbeleuchttafeln.
Das soll Kunst sein?
Peter Fischli (64) und David Weiss (1946–2012) arbeiteten seit 1979 zusammen. Das Duo erhielt für seine hintergründigen, subtil-ironischen Werke zahlreiche internationale Preise, ihre Arbeiten werden in den renommiertesten Galerien und Museen ausgestellt. Der Durchbruch gelang den beiden Zürchern 1987 mit dem Film «Der Lauf der Dinge», der eine Nonsens-Maschine zeigt. Der 30-minütige Streifen gehört zu den meistgesehenen Kunstfilmen.
Über die Entstehungsgeschichte des Wandgemäldes an der Binzmühlestrasse gibt eine Informationsbroschüre der Stadtzürcher Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum (Kiör) einige Auskunft. Peter Fischli und David Weiss sollen die zehn Sätze auf einer Reise durch Thailand angetroffen haben. Dort fotografierten sie die Tafel in einer Keramikfabrik. Als die Leitsätze am Bürogebäude in Zürich aufgemalt wurden, soll es lautstarken Protest von Mitarbeitenden gegeben haben. Diese meinten, es handle sich um Anweisungen ihres Chefs. Andere konnten nicht glauben, dass die Wandbeschriftung Kunst sein soll.
Beliebtes Sujet auf Instagram
Die Kiör-Broschüre macht auf einen speziellen Aspekt der Fassadenmalerei aufmerksam: «Das Kunstwerk in Zürich hat auch etwas Kurioses an sich. Diejenigen Menschen, die in dem Gebäude tätig sind, können die Arbeitshilfen an der Aussenwand gar nicht sehen. Auch vielen Zugreisenden gelingt es nicht, alle Sätze aufs Mal zu lesen.» Auch in New York sorgt das Kunstwerk für einiges Aufsehen – und für die eine oder andere Irritation, wie es in aktuellen Blogs heisst, etwa in jenem des Guggenheim Museums. Zudem ist der Kunst-Notizzettel an der Fassade bereits zum beliebten Fotosujet geworden, was sich auf dem Onlinedienst Instagram zeigt.
Was genau die Intention der Künstler für das Wandgemälde war, ist offen. Peter Fischli war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Für Christoph Doswald, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum, ist «How to Work Better» ein «grossartiges Kunstwerk», das perfekt zu den beiden Städten Zürich und New York passe, wo Arbeit eine derart grosse Rolle spielt. «Wir sind natürlich stolz, dass Fischli/Weiss die Urversion an einer Hauswand in Zürich angebracht haben», sagt er. «Und es wäre toll, wenn die New Yorker Begeisterung für Kunst im öffentlichen Raum ein wenig nach Zürich überschwappen würde.»
Andere Zürcher Auftritte in New York
Laut Doswald ist es nicht das erste Mal, dass Zürcher Künstler in New York mit Werken im Stadtraum für Aufsehen sorgen. Er erinnert an Ugo Rondinone, der vor drei Jahren mit seinen Steinriesen an der Rockefeller Plaza begeistert habe, oder an Urs Fischer mit seiner monumentalen Teddybärskulptur an der Park Avenue und an Pipilotti Rists Videos am Times Square.
Angenehm überrascht über den grossen Auftritt der Wandkunst in Übersee zeigt sich auch die Swiss Life als Besitzerin der Liegenschaft an der Binzmühlestrasse 14. Das Unternehmen hat das 1991 erbaute Haus vor sechs Jahren gekauft, wie Sprecher Florian Zingg erklärt. «Natürlich freuen wir uns über die plötzliche Bekanntheit mit der Ausstellung in New York. Und wir halten uns da ganz an Peter Fischli und David Weiss und ihre Regel 10: Smile!» Klar sei auch: Das Kunstwerk bleibt erhalten.
Erstellt: 15.03.2016, 15:57 Uhr
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