Swiss zündet Turbo – und verheizt Personal
Die Fluggesellschaft ist auf Expansionskurs. Piloten und Kabinenpersonal dagegen sind am Anschlag.
Von Amir Ali Flughafen – Der Swiss geht es gut. Sehr gut sogar. Seit 2006 fliegt die Airline Gewinne ein. Auch im Krisenjahr 2009 reichte der Schub der Lufthansa-Tochter noch für einen Gewinn von 93 Millionen Euro. Und die Flotte wächst laufend mit. Vor kurzem wurde bekannt, dass noch einmal fünf Lang- und vier Kurzstrecken-Airbusse in Bestellung sind und ab 2012 zum Einsatz kommen sollen. «Wir ziehen unsere Expansionsstrategie durch», fasst Mediensprecher Jean-Claude Donzel zusammen. Die Swiss will neue Destinationen erschliessen und bestehende häufiger anfliegen. Und wenn in zwei Jahren die ersten der neuen Jets in Kloten starten und landen, muss auch das entsprechende Personal bereitstehen. Aktuell arbeiten bei der Swiss knapp 1160 Piloten, beim Kabinenpersonal sind rund 3400 Personen beschäftigt. Um eine Langstreckenmaschine permanent zu betreiben, braucht die Swiss etwa 60 Flight-Attendants sowie 15 Piloten. Für einen Kurzstreckenjet sind 20 Flight-Attendants und 10 Piloten nötig. Das heisst: Für die neuen Flugzeuge schafft die Swiss rund 500 Stellen – 100 bis 120 davon im Cockpit. Die Ausbildung eines Neueinsteigers dauert zwei Jahre. «So gehts nicht weiter» Mediensprecher Donzel: «Wir bilden jedes Jahr 80 bis 100 neue Piloten aus. Damit kommen wir durch.» Für Thomas Steffen von der Pilotengewerkschaft Aeropers ist «durchkommen» nicht genug. Auf die Geschäftsstrategie der Airline hat Aeropers keinen Einfluss. Steffen vermutet aber, dass aus Kostengründen die Personalbestände zu spät aufgestockt wurden. Finanzchef Marcel Klaus liess sich anlässlich des Geschäftsberichts 2008 stolz zitieren: «Swiss verfolgt seit Jahren ein straffes Kostenmanagement.» Pilotenvertreter Steffen beschreibt den Grundtenor in den Cockpits folgendermassen: «So, wie wir die letzten drei Jahre gearbeitet haben, kann es nicht weitergehen.» Und er befürchtet, die Situation werde sich mit der weiteren Expansion nicht verändern. In einer Studie über «Stress, Angst und Burnout» befragte die Psychologin Cornelia Nussle unter anderem Airbus-Piloten – auch von der Swiss. Obwohl diese grundsätzlich «psychisch sehr stabil» seien, stellte Nussle Bedenkliches fest: 72 Prozent beklagten sich über übermässigen Stress im Beruf, 66 Prozent gaben an, seit Jahren «andauernder hoher Belastung» ausgesetzt zu sein. Über 65 Prozent leiden wöchentlich bis täglich an Ein- oder Durchschlafstörungen. «Dies sind hochgradige Symptome eines Burnout», erklärt Nussle. Die Psychologin ist sich bewusst, dass ihre Ergebnisse nicht repräsentativ sind. «Sie zeigen jedoch eindeutig eine Tendenz an», ist Nussle überzeugt. Neuer GAV bis Ende Jahr Dass immer mehr Piloten ihre Arbeitspensen reduzieren, könnte eine Folge übermässiger Belastung sein. In den letzten vier Jahren erhöhte sich der Anteil der Teilzeitflieger laut Gewerkschaft von 18 auf 35 Prozent. «Wer Pilot wird, weiss im Voraus, dass er sich auf einen anspruchsvollen Beruf einlässt», räumt der Aeropers-Sprecher ein. Dass ein Berufsleben zwischen den Zeitzonen eine gewisse Müdigkeit mit sich bringe, sei klar. «Wenn man seine Ferien nicht einziehen kann, wird es aber auf Dauer schwierig.» Und Ferien sind bei den Swiss-Piloten ein Problem: 10 000 Urlaubstage sind ausstehend. Das entspricht 30 Leuten, die während eines ganzen Jahres in die Ferien müssten. Zudem seien Ferien kaum planbar: Sie müssten über ein Jahr im Voraus eingegeben werden. Auf die Bewilligung warte man dann zum Teil bis einen Monat vor dem Urlaub. Das Personal, sagt Thomas Steffen, freue sich natürlich, wenn das Geschäft laufe. «Wir befürworten ein gesundes Wachstum. Gesund fürs Unternehmen und für den Menschen.» Die Problematik dürfte eines der grossen Themen sein, wenn die Swiss und ihre Piloten dieser Tage einen neuen Gesamtarbeitsvertrag aushandeln. Sagen will dazu niemand etwas. Eines aber ist klar: Knappe Personalbestände sind ein Trumpf, der eher für die Gewerkschaft sticht als für die Firmenleitung. Ein First Officer der Fluggesellschaft Swiss auf dem Weg zur Arbeit. Schon bald soll er viele neue Kollegen erhalten. Foto: David Baer
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