Vergewaltigung erfunden – und doch nicht gelogen
Eine Frau, die einen Mann unrechtmässig wegen Vergewaltigung angezeigt hatte, ist vom Vorwurf der falschen Anschuldigung freigesprochen worden. Man könne ihr keine Lüge nachweisen.

Nach einem romantischen Wochenende mit einer Frau ist ein albanischer Hauswart der Vergewaltigung bezichtigt worden. Der damals 27-Jährigen hatte im September 2014 mit einer 20-jährigen Schweizerin das Wochenende bei sich zu Hause verbracht. Dabei kam es am Sonntagabend zu Geschlechtsverkehr, nachdem es zwischen den beiden schon am Freitagabend und am Samstag zu sexuellen Handlungen gekommen war.
Am Montag erzählte die Schülerin ihrer Mutter, dass sie vergewaltigt worden sei. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Psychiater entschieden sich Mutter und Tochter am nächsten Tag gemeinsam, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Es folgte eine mehrstündige Einvernahme, der Mann wurde verhaftet und ein Verfahren wegen Vergewaltigung eröffnet. Offenbar war aber rasch klar, dass die sexuellen Handlungen einvernehmlich waren, nicht zuletzt anhand des Chatverlaufs der beiden beteiligten.
So schrieb die junge Frau am Montag dem angeblichen Täter von einem schönen Wochenende, dass sie ihn vermisse, und nannte ihn Herzblatt. In der Folge empfahl die damalige Rechtsanwältin des «Opfers», es solle eine Desinteresse-Erklärung einreichen, was einem Rückzug des Strafantrags entspricht. Die Staatsanwältin stellte im März 2015 das Verfahren wegen Vergewaltigung ein, dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Frau wurde verhaftet und sass elf Tage im Gefängnis
15 Monate später folgte dann die Retourkutsche: Gegen die junge Frau wurde im Juni 2016 ein Strafverfahren wegen falscher Anschuldigung eröffnet. Sie wurde verhaftet und elf Tage in Untersuchungshaft gesetzt, damit sie keine Zeugen beeinflussen konnte.
Am Freitag stand die junge Frau, die inzwischen eine Lehre als kaufmännische Angestellte absolviert, vor der Einzelrichterin des Bezirksgerichts Zürich. Sie ist wegen falscher Anschuldigung angeklagt, die Staatsanwaltschaft verlangt eine bedingte Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu 30 Franken (9000 Franken). Die Frau beteuerte vor Gericht, dass es für sie eine Vergewaltigung gewesen sei, der Geschlechtsverkehr sei gegen ihren Willen erfolgt. Warum sie dann das ganze Wochenende bei ihrem Peiniger geblieben sei, obwohl sie gewusst habe, dass dieser «spitz gewesen» sei, wollte die Richterin wissen. «Ich kann es mir nicht erklären, ich war im Schockzustand», erwiderte die junge Frau. Auch für die SMS, in denen sie schrieb, dass der Mann ihr ans Herz gewachsen sei, hatte sie keine Begründung.
«Schlechtes Gewissen wegen Freund»
Eine Erklärung hatte dafür der Anwalt des Privatklägers, des angeblichen Vergewaltigers. Der damalige Freund der jungen Frau habe von der Beziehung erfahren, habe er doch immer wieder vergeblich versucht, sie telefonisch zu erreichen. Es sei niederträchtig, so der Anwalt, eine Vergewaltigung vorzutäuschen, nur um das schlechte Gewissen zu beruhigen. «Sie wusste, was sie mit der Anzeige bewirkte.» Sein Mandant sei nach dem Verfahren massiv verunsichert. Er habe Angst, mit Frauen in Kontakt zu kommen. Er habe eine posttraumatische Belastungsstörung, zumal sich die Beschuldigte nie bei ihm entschuldigt hatte.
Der Anwalt der Beschuldigten verlangte einen Freispruch. Seine Mandantin sei von der damaligen Rechtsanwältin nicht darüber aufgeklärt worden, welche Folgen eine Desinteresse-Erklärung habe und was diese bedeute. Es sei stossend, dass die völlig überforderte junge Frau nun ein Verfahren am Hals habe und dass sie elf Tage in Untersuchungshaft sass. Sie sei von der Mutter und dem Psychiater zur Anzeige gedrängt worden und wusste nicht, welche Konsequenzen dies habe. «Meine Mandantin wollte dem Mann nie schaden», sagte der Anwalt.
Genugtuung für Untersuchungshaft
Dieser Ansicht war auch die Einzelrichterin, welche die Beschuldigte freisprach. Für die erlittene Haft erhielt sie zudem 2200 Franken Genugtuung. Man könne der Frau nicht beweisen, dass sie Beschuldigungen wider besseres Wissen erhoben und somit gelogen habe. Nur um diesen Punkt gehe es und nicht darum, dass das Verfahren gegen den Mann bezüglich Vergewaltigung eingestellt worden sei. Der Sachverhalt sei nicht erstellt, deshalb der Freispruch.
Sowohl in der polizeilichen Einvernahme als auch bei der Zeugenbefragung seien bei der Beschuldigten keine Lügensignale erkennbar gewesen. Auch die Desinteresse-Erklärung sei kein Beweis, dass die Frau die Unwahrheit gesagt habe. Beide Seiten hätten das Wochenende wohl auf ihre Art wahrgenommen, sagte die Einzelrichterin, es habe vermutlich ein Missverständnis vorgelegen. Zu den Liebes-SMS äusserte sich die Richterin in der Urteilsbegründung aber nicht.
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