«Architektur ist immer etwas Emotionales»
Architektur ist eine tote Materie, aber Christoph Schaub erweckt sie in «Architektur der Unendlichkeit» zum Leben. Der Regisseur über Kirchen, den HB und Kinderzimmer.

«Architektur der Unendlichkeit» beginnt damit, dass Sie über den frühen Verlust Ihres Vaters sprechen. Ist der Film ein persönlicher?
Es gibt einen persönlichen Ansatz, das stimmt. Aber es sind die Architekten und Künstler, die im Film die philosophischen Themen rund um Gebäude und Räume verhandeln. Es ist weder meine Lebensgeschichte noch ein Lehrfilm.
Sondern?
Ein Film darüber, welche Emotionen Architektur auslösen kann. Ich wollte sakrale Bauten thematisieren, allerdings nicht nur im religiösen, sondern auch im profanen Sinn – und dazu gehören für mich Kunstinstallationen genauso wie die Bahnhofshalle in Zürich.
Was ist sakral an der Halle des HB?
Sie ist wie eine Kirche gebaut. Es gibt eine Orientierung nach vorne – wie in einer Kirche. Anstelle eines Altars sind die Geleise. Dann gibt es ein grosses Oberfenster an der Stirnseite und grosse Fenster seitlich. Das Licht ist wichtig. Und nicht zuletzt hat der Bahnhof wie ein Kirche eine Repräsentationsfunktion.
Manchmal ist die Wirkung von Kirchen auch unangenehm.
Sie bezeichnen sich als Agnostiker. Was fasziniert Sie an Sakralbauten?
Sie sind fast immer ein architektonisches Ereignis. Und diese Bauten machen etwas mit einem. Nicht immer das, was man will, manchmal ist die Wirkung auch unangenehm. Was mich auch fasziniert ist, dass diese Bauten durch eine Behauptung eine Bedeutung kriegen.
Wie meinen Sie das?
Kirchen und Kathedralen sind heilige Orte. Aber wer sagt das? Klar, per Definition ist ein Bau dann heilig, wenn der Altar gesegnet ist, trotzdem bleibt es eine Behauptung.
Sie sagen, dass Kirchen Emotionen auslösen. Was ist mit der ganzen profanen Architektur?
Man tut immer so, als wäre Architektur etwas Rationales, aber ich finde sie sehr emotional. Ein gutes genauso wie ein schlechtes Haus spricht mit einem und soll eine Emotion auslösen. Und Räume sowieso; jeder von uns hat eine räumliche Sozialisation. Erinnern Sie sich nur an Ihr Kinder- oder Schulzimmer.
Was haben Architektur, Spiritualität und Emotionen miteinander zu tun? Das schlüsselt «Architektur der Unendlichkeit» auf. Video: Vimeo/Christoph Schaub
In «Architektur der Unendlichkeit» kommen nicht nur Architekten oder Raumkünstler zu Wort, sondern auch der Schlagzeuger Jojo Mayer. Was hat Musik mit Architektur zu tun?
Kirchen wurden auch gebaut, damit darin gesungen und musiziert werden kann. Aber ich wollte einen Kontrast zu den erwartbaren Kirchengesänge bieten, deshalb ist Jojo Mayer ein Protagonist. Musik ist so gesehen eine Architektur auf der Zeitebene: Musik rhythmisiert die Zeit und baut sozusagen einen Raum, einen akustischen Raum.
Wie sieht eine Architektur der Unendlichkeit für Sie persönlich aus?
Also eigentlich steckt darin ja ein Widerspruch, weil bauen kann man immer nur etwas Endliches. Somit ist eine Architektur der Unendlichkeit eine, die Gedanken zur Infinität auslöst -- und das sind in unserem Kulturkreis oft Kirchen, weil diese das Jenseits thematisieren. Aber eigentlich ist es für mich ein innerer Zustand: Jeder ist sein eigener Architekt oder seine Architektin der Unendlichkeit. Was macht einen frei oder trägt einen weg? Das kann Musik, Literatur oder auch die Liebe sein. Dieses innere Haus baut sich jeder selbst und auch jeden Tag neu.
Riffraff Langstrasse/Neugasse 16.10 Uhr, 18.30 Uhr, 20.50 Uhr, So 11.30 Uhrwww.riffraff.ch
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