Zugpersonal trauert im Zürcher HB um verunglückten Kollegen
Nach dem tödlichen Unfall gedenken Lokführer und Zugbegleiter mit einem Hupkonzert des Verstorbenen.
Der Lärm ist ohrenbetäubend laut in der Halle des Hauptbahnhofs Zürich. Unter der Anzeigetafel haben sich Hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SBB versammelt, Lokführer mit Hupen, Zugbegleiterinnen mit Trillerpfeifen – aus einem traurigen Anlass. Mit dem Hupkonzert verabschiedeten sie sich heute um 13 Uhr von ihrem 54-jährigen Kollegen, der am vergangenen Wochenende tödlich verunglückt war. Der Zugbegleiter war in Baden von einer Zugtür eingeklemmt und vom Zug mitgeschleift worden.
Im Anschluss an das Hupkonzert klatschten die SBB-Mitarbeiter kurz. Zahlreiche Anwesende trugen schwarze Armbinden, Schleifchen oder Blumen, viele trösteten sich gegenseitig, hielten sich an den Händen oder fielen sich in die Arme. Organisiert hatte den Anlass die Eisenbahngewerkschaft SEV, die zurzeit ihr hundertjähriges Bestehen feiert. Deshalb steht in der Bahnhofshalle ein «Jubiläumsbus». Daneben wurde ein Tisch mit einem Bild des Verstorbenen und einem Kondolenzbuch aufgestellt.
«Es hätte jeden von uns treffen können»
Die Trauernden versammelten sich und hinterliessen ihre Abschiedsgrüsse, manche zündeten Kerzen an. «Es hätte jeden von uns treffen können», sagte ein Kollege des Verunglückten. Noch vor kurzem habe man mit ihm gesprochen und gescherzt. Was passiert ist, sei unvorstellbar. «Niemand konnte sich richtig von dir verabschieden, weshalb wir das jetzt auf diese Art machen.» Nach der Ansprache folgte eine weitere Gedenkminute. Dann beschlossen die Organisatoren, eine kurze Pause einzulegen.
Im Anschluss wandte sich Giorgio Tuti, Präsident des SEV, an das versammelte Zugpersonal. Der Spagat zwischen dem tragischen Unglück und den Feierlichkeiten zum Jubiläum fiel ihm schwer: «Es ist nicht einfach, nach dem, was wir jetzt mitgemacht und erlebt haben, einfach so überzuleiten zu einem Festakt.» Er habe sich überlegt, ob man diesen absagen sollte, sagte Tuti. Doch er sei zum Schluss gekommen, dass das nicht im Sinne des verstorbenen Gewerkschaftsmitglieds gewesen wäre. «Darum machen wir das jetzt – in Gedenken an ihn.»
Anton Häne, Leiter Personenverkehr bei den SBB, sprach den Angehörigen und Mitarbeitern des Verunglückten sein Beileid aus. Und er versprach den Anwesenden, alles Notwendige zu tun, um den Vorfall aufzuklären.
Einklemmschutz hat versagt
Die bisherigen Untersuchungen der Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) zeigen, dass der Einklemmschutz des Zugwagens nicht funktioniert hat. Normalerweise stoppen Türen den Schliessvorgang, wenn sich etwas im Weg befindet – am vergangenen Wochenende ist dies aber nicht geschehen. Ob allenfalls weitere Sicherheitssysteme versagten, ist Gegenstand der Untersuchung.
Fest steht, dass bei neueren Zugmodellen Sicherheitssysteme eine Abfahrt verhindern, solange eine Tür geöffnet ist. Der Unfall passierte jedoch mit einem Einheitswagen IV, der seit Jahrzehnten im Einsatz steht. Bei diesem Wagentyp meldet der Zugbegleiter dem Lokführer per SMS, ob der Zug abfahrbereit ist. Doch auch in diesen Zügen ist ein technisches System verbaut: Sind alle Türen verschlossen, erlischt im Führerstand eine rote Lampe. Erst dann darf der Lokführer den Zug in Gang setzen. Die Sust geht davon aus, dass die Lampe tatsächlich auch erloschen war. Das werde aber noch genauer untersucht.
Personal fordert einen Fahrstopp
Im Moment haben die SBB 493 der Einheitswagen IV im Einsatz. Und dies soll bis auf weiteres auch so bleiben, sagen die SBB. Man werde die Züge in den nächsten Wochen einer zusätzlichen Kontrolle unterziehen.
Das Schweizer Zugpersonal fordert laut Medienbericht aber einen Fahrstopp für den betroffenen Wagentyp.
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