
Am vergangenen Freitag haben die Unternehmensleitung und die Chefredaktionen unseres Mutterunternehmens Tamedia einen offenen Brief aus den Redaktionen erhalten. Insgesamt 78 Redaktorinnen von verschiedenen Standorten der Deutschschweiz hatten ihn verfasst und unterzeichnet.
Wir haben diese Schilderungen mit grosser Betroffenheit gelesen.
Unsere Mitarbeiterinnen fordern in ihrem Schreiben eine Verbesserung des Redaktionsklimas, ein standardisiertes Verfahren bei Fällen von Diskriminierung und Sexismus und die Förderung von Frauen in den Redaktionen und als Führungspersonen. Im Anhang werden viele Beispiele genannt, die belegen, dass der Umgangston und das Betriebsklima teilweise sehr rau sind und Frauen es in gewissen Positionen schwerer haben als ihre männlichen Kollegen. Mehrere Passagen beschreiben sexistische Erlebnisse.
Wir haben diese Schilderungen mit grosser Betroffenheit gelesen. Zahlreiche erwähnte Beispiele sind nicht akzeptabel. Jegliche Art von Belästigung und Diskriminierung wollen wir nicht tolerieren. Wir werden eine interne Untersuchung einleiten, um den Verfehlungen auf den Grund zu gehen. Der Mut und die Offenheit, die unsere Kolleginnen mit ihrem Schreiben gezeigt haben, beeindrucken und berühren uns. Am Dienstag erreichte uns ein weiteres Schreiben, in dem mehr als hundert Mitarbeiter von Tamedia ihre Solidarität mit ihren Kolleginnen bekunden. Diese Stellungnahme schätzen wir sehr.
Zielgerichtete und wirkungsvolle Massnahmen zu einer konsequenten Förderung von Frauen ist eine Priorität der Unternehmensleitung. Seit Dezember 2020 ist zu diesem Zweck im Auftrag der Geschäftsleitung Tamedia eine Projektgruppe unter der Leitung von Priska Amstutz, Co-Chefredaktorin des «Tages-Anzeigers», tätig.
Unterstützt wird sie dabei von Arthur Rutishauser (Chefredaktor Redaktion Tamedia Deutschschweiz und «SonntagsZeitung»), Ariane Dayer (Chefredaktorin Redaktion Tamedia Westschweiz und «Le Matin Dimanche»), Vivian Joyce (Leiterin Tamedia Editorial Services), Mario Stäuble (Co-Chefredaktor «Tages-Anzeiger»), Olivier Steiner (Chief Strategy Officer) und verschiedenen Kolleginnen und Kollegen aus den Human Resources.
Als Erstes hat die Arbeitsgruppe untersucht, wie es um die Aufteilung nach Geschlecht, Alter und Arbeitszeitmodellen bestellt ist. Zwei wichtige Erkenntnisse: Der Frauenanteil bei Tamedia liegt bei 38 Prozent, wobei es grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Bereichen gibt.
Dass Tamedia Aufholbedarf hat und den Frauenanteil steigern möchte und muss, war uns schon vor dieser Auswertung bewusst.
Insbesondere in der Führung sind die Frauenanteile deutlich zu tief. Die Lohngleichheit wird regelmässig mittels Lohnanalysen überprüft. Diese zeigen, dass es keine Hinweise auf systematische Unterschiede gibt, wir werden aber auch diesen Aspekt erneut beleuchten.
Dass Tamedia Aufholbedarf hat und den Frauenanteil steigern möchte und muss, war uns schon vor dieser Auswertung bewusst. Die Datenlage bestätigt uns, dass die in der Vergangenheit ergriffenen Massnahmen nicht ausreichen. Es ist Zeit für eine verbindliche Strategie. Die Projektgruppe wird diese bis Mitte Mai 2021 erarbeiten.
Viele der Forderungen im offenen Brief werden in der Strategie aufgenommen. Sie waren schon vorher Bestandteil der geplanten Massnahmen. Auf eine positive Entwicklung des Arbeitsklimas werden wir selbstverständlich mit dem durch den Brief erlangten Wissen ein besonderes Augenmerk legen. Dabei ist es uns ein Anliegen, bei allen Überlegungen verschiedene Blickweisen zu berücksichtigen. In vielen Fragen sind wir im Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen verschiedener Redaktionen. Wir schätzen das grosse Interesse, aktiv an einem wichtigen, überfälligen Wandel mitzuwirken.
Der Artikel wurde am Mittwoch, 11. März 2021 um einen Hinweis auf das Schreiben von mehr als hundert Tamedia-Mitarbeitenden ergänzt, die damit ihre Solidarität mit ihren Kolleginnen bekundeten.
Priska Amstutz ist seit 2020 Co-Chefredaktorin des «Tages-Anzeigers» und Autorin. Sie studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Zürich und war in verschiedenen Redaktionen in leitenden Funktionen tätig.
Mehr InfosArthur Rutishauser ist Chefredaktor der Redaktion Tamedia und der SonntagsZeitung. In dieser Funktion ist er Mitglied der Geschäftsleitung von Tamedia. Der promovierte Ökonom war ursprünglich Wirtschaftsredaktor.
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In eigener Sache – Zum Protest der Tamedia-Frauen
Tamedia muss und will das Betriebsklima und die Zusammensetzung der Redaktionen verbessern.