Zum Schluss lockt die Venus
Unzählige Waffen, der Schwäbische Grand Canyon und Bier im Übermass: Bei der Velotour an der jungen Donau lohnt es sich, genügend Zeit einzuplanen.

Eile wäre die falsche Begleiterin auf der mehr als 200 Kilometer langen Strecke zwischen Donaueschingen und Ulm, die in zwei Tagen zu bewältigen ist. Wer drei oder vier Etappen einplant, hat Zeit für Ungewöhnliches, kann die Perspektive wechseln, im Kanu über die Donau gleiten oder einen der mächtigen Aussichtsfelsen besteigen. Nur so erlebt man den ganzen Zauber einer Region, wo der später so mächtige Strom mancherorts nicht mehr ist als ein Schluck Wasser in der Kurve.
Los geht es in Donaueschingen. Hier hat die Donau ihren Ursprung und fliesst dann 3000 Kilometer durch zehn Länder. Damit ist sie nach der Wolga der zweitlängste Fluss Europas. Viele Velofans kennen den Abschnitt zwischen Passau und Wien, der zu den beliebtesten Routen der Welt zählt. Gemäss Statistik folgen dort jedes Jahr bis zu 700'000 Touristen auf zwei Rädern der schönen, blauen Donau. Wer hingegen am Oberlauf unterwegs ist, entgeht jeglichem Trubel.
Auffällig sind lediglich ein paar Hardcore-Biker, die Kilometer fressen wollen. Doch es ist besser, sich dem Tempo der Donau anzupassen. Und die beginnt schon wenige Kilometer nach dem Start zu trödeln. In warmen Monaten verschwindet sie auf einem längeren Abschnitt gar vollständig von der Bildfläche, weil das Wasser im karstigen Boden versickert. Später stehen mächtige Felsen Spalier, während sich ein unscheinbarer Wasserlauf durch den Naturpark müht. Die Donau braucht viele Kilometer, um sich den Namen Fluss wieder zu verdienen.
Wanderwege gehen von der Route ab. Wir parkieren unser Velo und machen uns auf zu einem Aussichtspunkt bei Fridingen. Der Abstecher zum Knopfmacherfelsen dauert länger als geplant, was aber nicht an der Kondition liegt, sondern an den attraktiven Höhlen wie dem Sperberloch. Hier sind die Tropfsteine schon gänzlich niedergetrampelt. Der weitere Weg führt durch Dickicht und dunklen Wald, sodass wir erst ganz oben freie Sicht haben. Etwa auf den Schaufelsen, der als eines der grössten Felsmassive Deutschlands gilt. Am Horizont leuchten die Glarner Alpen.
Schloss Sigmaringen und die Waffensammlung
Nicht immer muss man sich von der Donau entfernen, um ihre wahre Schönheit zu erkennen. Ein lohnender Wechsel der Perspektive lockt zum Beispiel in Hausen im Tal, wo Familie Süssmuth am Minigolfplatz Kanus vermietet.
Die Felsen erscheinen vom Wasser aus höher, mächtiger. Eine Entenfamilie kommt vorbei und schert sich nicht um die Paddler. Felsen stehen im Wasser, man kommt ihnen hier näher als auf dem Veloweg. Der interessanteste Abschnitt, der auch den Beinamen Schwäbischer Grand Canyon trägt, zieht sich hin bis Dietfurt und ist 13 Kilometer lang. Am Ende genügt es, das Boot einfach an der Ausstiegsstelle abzulegen.

Zurück zum Velo gelangt der Reisende per Bahn. Spätestens jetzt ist klar: Läge das Tagesziel 100 Kilometer entfernt, bliebe dem Radler keine Zeit, sich um die wahren Sehenswürdigkeiten zu kümmern. Darunter sind Topspots von internationaler Bedeutung wie das Hohenzollernschloss in Sigmaringen, das schon von weitem zu sehen ist. Velotouristen halten gerne direkt an der Donau, um Fotos zu schiessen, weil sich der auf einem Felsen liegende Komplex so schön im Wasser spiegelt. Besonders markant ist der Turm mit der Uhr, der zu einer Kirche gehören könnte.
Der wahre Schatz befindet sich im Schloss: Die 3000 Exponate umfassende Waffensammlung zählt zu den umfangreichsten Europas. Rüstungen sind der Hingucker, es gibt sie für Pferde oder Kinder. Und weil Ritter schliesslich nicht immer Panzer tragen konnten, ist ein Bereich auch der Alltagskleidung gewidmet. Ein Fürst hatte bis zu 90Zentimeter lange Schnabelschuhe, die von seinem hohen Stand zeugten – er lebte auf grossem Fuss.
«43 Biere, 4 Brauereien, 1 Stadt»
Hinter Sigmaringen muss der Velotourist auf längeren Streckenabschnitten ohne Donau auskommen. Der Weg wartet plötzlich mit ruppigen Anstiegen auf. Was den wackeren Velofahrer im Sattel hält, ist die Aussicht auf «43 Biere, 4 Brauereien, 1 Stadt».
Dieser Slogan gehört zu Ehingen mit seinen 25'000 Einwohnern. Sie kultivieren den Gerstensaft, wie man das anderswo im Bierparadies Deutschland kaum kennt. Ehingen bietet diverse Bierrouten an. Die neue, zweitägige Velotour für Bierliebhaber endet buchstäblich am Berg – so heisst eine Brauerei.
Am Stammtisch sitzen kräftige Männer wie Franz Nothelfer; aus einem Dutzend Sorten Bier können sie hier wählen. Nothelfer ist im Ruhestand und hat Bier zu seinem Herzensthema erklärt. Bei Festen schlüpft er in die historische Rolle des Oberbrauers Karle Rommel, er mischt in der neuen Brau- & Backstube mit und leitet Kurse für die Herstellung von Unter- und Obergärigem.

«Im Bier könnte ich baden», beteuert Nothelfer und bestellt einen alkoholfreien halben Liter, weil heute noch Führungen anstehen. Als Velofahrer sollte man darüber nachdenken, in Ehingen ein Hotelzimmer zu buchen, um Märzen-, Bock-, Spezial- und Jubelbier voll auskosten zu können. Doch es empfiehlt sich, den letzten Abschnitt der Tour nüchtern in Angriff zu nehmen.
Auf dem Programm steht die Begegnung mit einer besonders begehrten Frau. Man kann sich ihr nur langsam nähern, ihr einstiges Zuhause ist dunkel, kalt und feucht. 40'000 Jahre lag sie in einer Höhle bei Schelklingen. Dann entdeckte eine Schweizer Studentin Bruchstücke bei Grabungsarbeiten im Erdreich. Seither gilt die aus Mammutelfenbein geschnitzte «Venus vom Hohle Fels» als älteste von Menschen gefertigte Kunst der Welt. Archäologen machten in der Umgebung weitere einzigartige Funde, sodass die Unesco den Titel Weltkulturerbe verlieh. Wer die Venus sehen will, muss noch ein halbes Stündchen auf dem Velo dranhängen und nach Blaubeuren fahren – die Donau liegt dabei längst hinter dem Radler.
Auch zum Finale gilt: Wer die Hauptroute verlässt und mehr Zeit einplant, belohnt sich selbst.
Die Reise wurde unterstützt von der Baden-Württemberg Tourismus Marketing AG und www.germany.travel
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