Zupacken statt abhängen
Sie hacken Zwiebeln und reparieren Steckdosen: Um ihre Chancen auf eine Lehrstelle zu verbessern, gehen 2.-Sek-Schüler aus fünf Unterländer Schulhäusern am Mittwochnachmittag arbeiten.
Von Andrea Söldi Opfikon – Hinter dem grossen Wäschewagen ist der Junge kaum zu sehen. Can stösst das Vehikel aus dem Aufzug und füllt das Wäschelager mit weissen Frotteetüchern auf. Dann geht es in den nächsten Stock. Auch diesen Mittwochnachmittag arbeitet der 14-Jährige wieder drei Stunden lang im Hotel Mövenpick in Glattbrugg. Der Sek-C-Schüler aus dem Opfiker Schulhaus Halden ist einer von 16 Jugendlichen, die ins Projekt Lift aufgenommen wurden (siehe Kasten). Dieses zielt darauf ab, Jugendliche mit schwierigen Voraussetzungen auf die Berufswelt vorzubereiten. Es richtet sich in erster Linie an Schüler mit schlechten Schulleistungen, Motivationsproblemen und mangelnder Unterstützung vonseiten der Eltern. In Opfikon seien dies fast ausschliesslich Jugendliche mit Migrationshintergrund, sagt Patrik Dimopoulos, der vom Schulhaus Halden für das Projekt engagiert wurde. Er betreut die Jugendlichen, unterhält Kontakte zu den Firmen und bemüht sich, immer wieder neue Arbeitsplätze zu finden. Ohne Kontrolle ging nichts Zusammen mit dem Werkstattchef gibt die 15-Jährige Imana in den Computer ein, was sie gemeinsam repariert haben: ein verstopftes Lavabo, ein Türschloss und eine Steckdose. «Bei der Technik gefällt es mir am besten», sagt sie. Besser als in der Küche, wo sie kürzlich drei Stunden lang mit tränenden Augen Zwiebeln schneiden musste. Aber auch wenn es manchmal anstrengend oder langweilig ist: «Man muss durchhalten», weiss Imana. Sie hat sich für das Programm angemeldet, weil sie hofft, damit ihre Chancen auf eine Lehrstelle zu verbessern. Am liebsten möchte sie Pflegeassistentin werden. «Die Schüler müssen etwas erreichen wollen, damit sie mitmachen dürfen», sagt Patrik Dimopoulos. Wer es schafft, muss sich jeden Mittwoch vom Arbeitgeber ein Blatt ausfüllen lassen, auf dem seine Leistung erfasst wird: Pünktlichkeit, Einsatz, Höflichkeit, Erscheinung, Arbeitstempo und -qualität. Diese schriftliche Rückmeldung habe er einführen müssen, weil anfangs einige Jugendliche gar nie am Arbeitsplatz erschienen seien, sagt Dimopoulos. Dennoch hätten sie jeweils wortreich von ihren Erlebnissen erzählt. Wer mehrmals zu spät kommt oder nicht auftaucht, fliegt nun aus dem Projekt. Einmal pro Woche versammelt der Coach die Teilnehmer, um die Erfahrungen zu besprechen. Auch Sozialkompetenz ist immer wieder ein Thema: Wie hat man sich am Arbeitsplatz zu verhalten? Wie kann man mit schlechten Gefühlen oder Aggressionen umgehen? Am Schluss des Arbeitseinsatzes erhalten die Jugendlichen ein Zertifikat, das sie ihren Bewerbungen für Lehrstellen beilegen können. Laut Dimopoulos stellen Lehrmeister Jugendliche eher ein, wenn sie sehen, dass diese bereits etwas geleistet haben. In einzelnen Fällen ergebe sich sogar direkt aus einem Lift-Einsatz eine Lehrstelle. «Ich würde alles machen» Barbara Boos, die Personalverantwortliche des Hotels, ist zufrieden mit den vermittelten Schülern: «Sie waren durchwegs anständig», sagt sie. Das Mövenpick in Glattbrugg nimmt seit den Anfängen vor sechs Jahren stets zwei Schüler auf. Can hat unterdessen seine Wäsche in allen Stockwerken verteilt und darf eine Pause machen. Pro Stunde verdient er fünf Franken. Das Geld ist jedoch nicht der Grund, weshalb er seine freien Nachmittage opfert: «Ich hatte Angst, keine Lehrstelle zu finden», sagt der scheue Jugendliche mit türkischem Hintergrund. «Ich wusste, dass der Einsatz gut ist für meine Zukunft.» Bald muss er beginnen, sich zu bewerben. Am liebsten würde Can einen technischen Beruf erlernen. Doch er ist sich bewusst, dass er bescheiden sein muss: «Ich würde alles machen.» Der 14-jährige Cem kümmert sich an seinem freien Nachmittag in einem Hotel um die Wäsche. Foto: Madeleine Schoder
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