Zurück zur Weinnatur
Immer mehr Winzer in der Schweiz steigen auf Bioweine um.

Biolebensmittel werden immer wichtiger. Nach Angaben des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) verdoppelte sich der Umsatz mit Bioprodukten zwischen 2007 und 2017 von rund 1,3 Milliarden auf 2,7 Milliarden Franken. Im vergangenen Jahr lag dieser Umsatz bereits bei über drei Milliarden Franken. Biolebensmittel machen heute rund zehn Prozent des gesamten Lebensmittelmarkts aus.
«Bio ist im Trend, und da macht der Wein keine Ausnahme», sagt denn auch Andreas Häseli, Leiter der Gruppe Anbautechnik Obst- und Weinbau am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. «Es scheint ein Umdenken hin zu mehr Natürlichkeit und Authentizität stattzufinden – auch wegen der Diskussionen und Skandale um Fungizid- und Herbizideinsätze in den letzten Jahren.»
Biolandbau ist seit 1997 durch die «Verordnung über die biologische Landwirtschaft und die Kennzeichnung biologisch produzierter Erzeugnisse und Lebensmittel» definiert. Biologischer Weinbau funktioniert hauptsächlich nach dem Prinzip «Vorbeugen ist besser als Heilen»: Krankheiten und Schädlinge sollen möglichst gar nicht erst auftreten. Verwendet werden nur natürliche Düngemittel, zudem wird das Vorkommen von Nützlingen gefördert. Die Rebstöcke werden regelmässig entlaubt, damit es Pilzsporen schwerer haben, sich zu vermehren. Immer wichtiger werden für Bioweinbauern auch PIWI-Rebsorten, die von Haus aus eine grössere Resistenz gegen Pilzkrankheiten mitbringen. Im Bioweinbau ist Handarbeit gefragt – und die Bereitschaft, oft auf Maximalerträge zu verzichten.
Eine berufliche Herausforderung
Dennoch steigen immer mehr Weinbauern auf Bioweinbau um: Der Anteil der Bioflächen an der gesamten Rebbaufläche betrug 2017 bereits acht Prozent. «Dabei hilft natürlich, dass renommierte Weinbaugegenden wie die Bündner Herrschaft sich ernsthaft mit dem Thema befassen», sagt Andreas Häseli. Der Umstieg von konventionellem auf Bioweinbau sei aber auf jeden Fall mit Aufwand verbunden und eine berufliche Herausforderung.
Denn der Bioweinbau ist anspruchsvoller und verlangt vom Weinbauern, sich auf die Wechselwirkungen mit der Natur einzulassen «Doch je professioneller und bionäher ein herkömmlicher Betrieb geführt wird, desto einfacher gelingt der Umstieg auf ökologischen Weinbau.» Im Kanton Graubünden wurde gar eine Arbeitsgruppe gebildet mit dem Ziel, dass 2020 sechzig Prozent der Weinbaubetriebe biologisch produzieren. Seit 2014 vergeben das Weinmagazin «Vinum» und Bio Suisse ausserdem den Schweizer Bioweinpreis. Er ging dieses Jahr an Sandrine Caloz von der Cave Caloz in Miège VS.
Damit Konsumentinnen und Konsumenten sicher sein können, dass ein mit Bio ausgezeichneter Wein auch wirklich bio ist, haben sich verschiedene Gütesiegel mit jeweils eigenen Zertifizierungskriterien etabliert: die Bio-Knospe von Bio Suisse, Demeter, das auf eine biodynamische Anbauweise hinweist, oder auch Delinat des gleichnamigen Weinhändlers aus St. Gallen.
«Wir betrachten den Rebberg als ein geschlossenes Ökosystem.»
Die Delinat-Biowein-Richtlinien wurden bereits 1983 entwickelt. Sie gehören zu den ältesten und mittlerweile auch strengsten Richtlinien für Biowein. «Wir betrachten den Rebberg als ein geschlossenes Ökosystem», erklärt Michel Fink, Marketingleiter bei Delinat. Deshalb müssen von Delinat zertifizierte Betriebe unter anderem über begrünte Weinberge und ökologische Ausgleichsflächen verfügen. «Auch Bioweine stammen heute oft noch aus Monokulturen», so Fink. «Uns ist es aber wichtig, die Biodiversität im Weinberg zu fördern.»
Dass Kunstdünger und die Verwendung gentechnisch veränderter Organismen verboten sind, versteht sich fast von selbst. Doch auch die erlaubten Mengen von Kupfer als Pflanzenschutzmittel sind streng reguliert. Sie betragen nur etwa die Hälfte der von EU-Bio-Richtlinien erlaubten Mengen.
Das Ostschweizer Familienunternehmen Delinat hat im Lauf der Jahre sein Konzept des Bioweinbaus über den Rebberg hinaus ausgedehnt. Vinifikationsverfahren wie Vakuumverdampfer, Umkehrosmose oder Kryoextraktion sind verboten. Zudem müssen Produzenten seit 2017 auf den Einsatz tierischer Hilfsstoffe verzichten, sowohl bei der Düngung als auch bei der Verarbeitung. Damit entsprechen von Delinat zertifizierte Weine ab dem Jahrgang 2017 den Vorgaben der internationalen Vegan-Konvention.
Der Bioweinbau verändert sich stetig
«Seit kurzem verlangen wir zudem den ausschliesslichen Einsatz von Naturkorken, und unsere Kundschaft kann Leerkartons kostenlos an uns retournieren», ergänzt Fink. So können die Verpackungen etwa ein halbes Dutzend Mal verwendet werden. Den nächsten ökologischen Schritt macht Delinat ab dem Jahr 2021. Fink: «Ab dann verlangen wir von unseren Produzenten, dass sie ihre Energie ausschliesslich aus erneuerbaren Quellen beziehen.» Rund 3500 Hektaren Rebberge in der Schweiz und in Europa sind bereits von Delinat zertifiziert. Sie werden von einer unabhängigen Stelle jedes Jahr neu überprüft. Im Angebot, das auch verschiedene Weinabos umfasst, stehen damit rund 280 Weine.
Die Entwicklung geht weiter. In den 90er-Jahren kaufte Delinat in Frankreich das Weingut Château Duvivier. Es wird vor allem für die Forschung und für Praxisversuche genutzt. Forschungsschwerpunkte sind die weitere Reduktion – und im Idealfall der Ersatz – von Kupfer- und Schwefellösungen gegen Pilzkrankheiten, die Erhöhung der Biodiversität und der Anbau von PIWI-Rebsorten. Das so gewonnene Wissen wird den Partnerbetrieben weitergegeben, in Form von Beratungen und Weiterbildungsseminaren.
Der Bioweinbau verändert sich also stetig. Nicht umsonst sagt Andreas Häseli vom FiBL: «Im Weinbau herrscht noch viel Traditionalismus. Doch ich bin überzeugt, dass er in fünfzig Jahren ganz anders aussehen wird als heute – auch dank der immer grösser werdenden Zahl von Bioweinbauern.»
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