Zwei Erzfeinde, zwei Auftritte, ein Ziel
Sie hassen sich aufs Blut. Doch eines haben Benjamin Netanyahu und Mahmoud Ahmadinejad gemeinsam: Den Hang fürs Theatralische. Für sie ist die Uno-Vollversammlung nichts anderes als eine grosse Bühne.
Der Anzug sitzt, der Krawattenknopf ebenfalls: Benjamin Netanyahu war bereit für den grossen Auftritt. Eloquent wie immer machte er gestern in der Uno-Vollversammlung in perfektem Englisch klar, wo die wirklichen Gefahren dieser Welt lauern: beim Iran und seiner angeblichen Atom-Bombe. Damit seine Botschaft auch beim Begriffsstutzigsten ankam, hielt der israelische Premier die einfache Skizze einer Bombe in die Kameras der Weltöffentlichkeit. Spätestens, wenn der Iran die Bombe zu 90 Prozent vollendet habe, müsse Schluss sein, so Netanyahu, und er zog auf der Skizze eine rote Linie.
Innert Minuten wurde «Netanyahu» auf Twitter 17'700-mal erwähnt. Die Reaktionen reichen von bedingungslosem Beifall zu vernichtender Kritik. Eine geniale Art, eine Botschaft zu verbreiten, sagen die einen. Eine Trivialisierung des Themas, finden andere. Auch wenn viele sich über seine Cartoon-Bombe lustig machten und seinen Auftritt mit Clint Eastwoods Gespräch mit einem Stuhl (Eastwooding) verglichen, Netanyahu hatte es einmal mehr geschafft, allen die Show zu stehlen.
Maximal mögliche Verbreitung
Die Syrienfrage mit mittlerweile geschätzten 30'000 Toten, darunter unzählige Kinder? Uninteressant. Die Palästina-Frage, wo die Siedlungstätigkeit munter voranschreitet und eine Zwei-Staaten-Lösung immer unwahrscheinlicher wird? Egal. Weltweit berichteten die Medien über Netanyahus Bomben-Skizze. In den Social Media war sie ebenfalls das dominierende Thema. Ein lächerlicher Auftritt? Vielleicht. Theatralisch? Natürlich. Maximal mögliche Verbreitung erreicht? Ganz sicher.
Netanyahu hat mit seiner Rede nicht nur den Weg geebnet, damit Israel nächstes Jahr den Iran angreifen könnte. Er hat den Grundstein für seine Wiederwahl gelegt. Wenn nicht er, Netanyahu, Israel vor dem Abgrundtiefbösen beschütze, wer würde es denn sonst tun? Wie schon bei seinen anderen Reden in den USA, vor der Uno-Vollversammlung, oder an den Jahrestagungen der proisraelischen Lobby Aipac: Netanyahu hat es vor allem geschafft, den Fokus der Weltöffentlichkeit auf sich zu richten.
Bühne frei für Ahmadinejad
Einer, der ihm dabei nichts schuldig bleibt, ist ausgerechnet sein Erzfeind Mahmoud Ahmadinejad. Auch der iranische Präsident versteht es ausgezeichnet, maximal mögliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Bis auf seinen letzten, sorgte jeder seiner Auftritte vor der Uno-Vollversammlung zuverlässig für einen Eklat. Seine Tiraden gegen Israel verursachten kollektive Empörung, Ahmadinejad sonnte sich danach im Rampenlicht und lieferte Netanyahu die Steilvorlage, den Iran als das Böse schlechthin darzustellen. Was Ahmadinejad wiederum für die nächste Tirade gegen Israel zu nutzen wusste.
Weil seine Hetzreden vorhersehbar waren, hielt Ahmadinejad diesmal an der Uno-Vollversammlung eine vergleichsweise milde Rede, die weltweit mit Erstaunen quittiert wurde. Zwar bezeichnete er die Israelis als «unzivilisierte Zionisten», die den Iran bedrohten, er verzichtete aber auf seine üblichen antisemitischen Ergüsse. Er sprach stattdessen etwa von der sich vergrössernden Schere zwischen Arm und Reich und machte dafür den Kapitalismus und «bestimmte Nationen» verantwortlich. Die Rede trug ihm das ein, was er sich wohl für seinen letzten Auftritt gewünscht hatte: einmal mehr die globale Aufmerksamkeit.
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