Zweifel an Ghadhafis Nachfolgern
Zusammengeführt hat sie ein Ziel: Die Absetzung Ghadhafis. Doch die libyschen Rebellen sind eine äusserst heterogene Gruppe. Es stellt sich die Frage, ob sie Libyen in eine demokratische Zukunft führen können.

Es sind viele unterschiedliche Gruppen, die Libyens Rebellen im Kampf gegen den Despoten in ihren Reihen vereint haben. Da sind frühere Regierungsmitglieder, dem Westen zugeneigte Intellektuelle, Geschäftsleute sowie ehemalige Islamisten.
Zusammengeführt hat sie ein Ziel: die Absetzung von Machthaber Muammar al-Ghadhafi. Internationale Anerkennung gewannen die Aufständischen, als sie einen Übergangsrat bildeten, der die Demokratie unterstützt. Doch während das Regime in den letzten Zügen liegt, stellt sich die Frage, ob die Opposition das geschundene Land übernehmen und auch erfolgreich führen kann.
Die Aufgabe, das Land nach sechs Monaten Bürgerkrieg und 42 Jahren Ghadhafi-Herrschaft zusammenzuführen, ist erst recht schwierig, weil Libyen keine Erfahrung mit Wahlen und demokratischen Institutionen hat. Al-Ghadhafi führte das Land seinen Launen entsprechend und seiner eigenwilligen politischen Philosophie folgend. Zudem duldete er keinen Widerspruch.
Es fehlt jegliche Grundlage
«Die Rebellen wollen ein mit sich selbst ausgesöhntes Libyen, das demokratisch ist - was immer das heisst», sagt George Joffe, Libyen-Experte an der Universität Cambridge. «Allerdings ist nicht klar, wie sie das anstellen werden. Es gibt keinerlei Grundstrukturen, die sie nutzen können.»
Doch trotz der anfänglich zuweilen chaotischen Zustände führte die Rebellion zur Bildung eines Nationalen Übergangsrates. Dessen Mitglieder kommen aus jeder von den Rebellen gehaltenen Stadt und sind von örtlichen Räten ausgewählt.
Angeführt wird der Übergangsrat von Mustafa Abdul Jalil, dem früheren Justizminister, der zu den ersten Kabinettsmitgliedern gehörte, die während des Aufstands vom Regime abfielen. Doch trotz seiner einstigen Zugehörigkeit zum Ghadhafi-Regime geniesst Abdul Jalil unter den Rebellen Respekt. Als starker Führer oder dominante Persönlichkeit kann er dennoch nicht betrachtet werden.
Abdul Jalil gehört einer Gruppe früherer Regierungsmitglieder an, die einen machtvollen Block im Übergangsrat darstellen. Dazu zählen der Vorsitzende des Gremiums, Mahmud Jibril, ebenso wie der Chefdiplomat der Aufständischen, Ali al Essawi. Der an der Universität Pittsburgh ausgebildete Jibril war unter anderem beim Entwurf einer ambitionierten Zukunftsvision beteiligt, die den Titel trägt: «Libyen 2025: Ein Blick voraus». Darin kommt dem Staat eine beschränkte Rolle zu, es ist von freier Meinungsäusserung die Rede sowie einer Öffnung für den freien Markt.
Auch die Islamisten sind vertreten
Doch die Bewegung hat auch die Unterstützung jener Libyer gesucht, die aus dem Exil zurückkehrten und sehr daran interessiert waren, eine Rolle beim Wiederaufbau des Landes zu spielen. Darunter auch Ali Tarhuni, ein gerne Klartext redender Wirtschaftsprofessor, der seinen Job an der Universität von Washington verliess, um Finanzminister im Kabinett der Rebellen zu werden.
Ihren Platz in den Reihen der Rebellen fanden auch die Islamisten, darunter frühere Mitglieder der Libyschen Islamischen Kampfgruppe (LIFG), eine radikalislamische Organisation, die al-Ghadhafi entschieden Widerstand geleistet hat. So haben einige ranghohe Vertreter im Sicherheitsapparat sowie bei den Streitkräften der Rebellen Erfahrungen bei der LIFG gesammelt.
Unklar ist nach Meinung von Libyen-Experte Joffe die Beziehung zwischen dem Übergangsrat und der Minderheit der Berber in den im Westen gelegenen Nafusa-Gebirge, stellten doch die Berber die Speerspitze beim Vormarsch auf Tripolis.
«Wir wissen nicht, ob sie bereit sind, die Führung durch den Rat zu akzeptieren», sagt Joffe. «Es gibt Spannungen zwischen den Islamisten auf der einen Seite und den Exilanten auf der anderen, zudem gibt es Abspaltungen unter den Exilanten selbst. Es gibt momentan keinen offensichtlichen Anführer, und allein das ist ein Problem.»
Zweifel an der Führungsfähigkeit
Als Ende Juli der Militärchef der Rebellen, Abdel Fattah Junis, getötet wurde, stand der Nationale Übergangsrat kurz vor dem Aus. Der frühere Innenminister Ghadhafis war innerhalb der Aufständischen höchst umstritten. Zwar bestärkte sein Überlaufen unter den Rebellen und ihren westlichen Verbündeten die Hoffnung auf ein Gelingen der Revolte, doch verdächtigte ihn ein Teil der Opposition, sich noch einen kleinen Rest von Loyalität gegenüber al-Ghadhafi erhalten zu haben.
Während die Rebellenführung darauf bestand, dass Junis' Ermordung das Werk von Ghadhafis Schergen war, berichten mehrere Zeugen, dass der Militärchef von seinen neuen Gefolgsleuten getötet wurde. Der Mord hat Bedenken über die Einheit innerhalb der Bewegung geweckt, aber auch Fragen aufgeworfen, ob der Übergangsrat in der Lage ist, die nominell unter seiner Kontrolle stehenden Einheiten zu disziplinieren.
Keine Alternative
Doch ungeachtet seiner Mängel bleibt der Rat die einzige politische Organisation auf Seite der Rebellen, die das Potenzial hat, an Ghadhafis Stelle zu treten. Bislang währt dessen Regime noch, wenn auch geschwächt.
Es werde «eine lange Zeit in Anspruch nehmen, bis die Libyer sich an das neue System und die neue Demokratie gewöhnen werden», sagt Akram Ammar, ein in Tripolis kämpfender Rebell. «Aber am Ende wird es besser sein.»
SDA/kpn
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