Zweiter HIV-Patient weltweit wohl geheilt
Ein mit dem HI-Virus infizierter Brite ist dank einer speziellen Stammzell-Behandlung nun virusfrei.

Es war eine Sensation, als der mit HIV infizierte Timothy Ray Brown vor zehn Jahren nach einer Behandlung frei von den todbringenden Viren war. Er ging als «Berliner Patient» in die Medizingeschichte ein. Nun berichten britische Ärzte in der Fachzeitschrift «Nature» über einen zweiten, ganz ähnlichen Fall. Ein von ihnen behandelter britischer Patient nimmt seit 18 Monaten keine Virus-unterdrückenden Medikamente mehr ein. Er zeigt weder Krankheitssymptome, noch sind HI-Viren in seinem Blut nachweisbar, nicht einmal Spuren des Virus-Erbguts.
Von einer «Heilung» wollen die Ärzte aber noch nicht sprechen. Das sei noch zu früh, schreibt das Team um Ravindra Gupta vom University College in London in der Veröffentlichung. Die Mediziner hatten den britischen Patienten einer «weniger aggressiven und toxischen» Behandlung unterzogen als die deutschen Kollegen ihren Patienten vor zehn Jahren.
Der britische Patient war 2012 an einem Hodgkin-Lymphom, einem bösartigen Tumor des Lymphsystems, erkrankt. Deshalb bekam der Kranke Blutstammzellen aus dem Knochenmark transplantiert – von einem besonderen Spender, nämlich einem, der resistent gegen eine HIV-Infektion ist. In seltenen Fällen besitzen Menschen eine genetische Veränderung, sodass die HI-Viren nicht in ihre Zellen eindringen können. Zuvor waren dem HIV-Patienten die eigenen Blutstammzellen mit einer Chemotherapie zerstört worden. Nach der Prozedur erhielt der Patient zunächst noch weitere 16 Monate die antiretrovirale Therapie, bis das Ärzteteam zusammen mit dem Betroffenen entschied, die Medikamente abzusetzen.
Einige Patienten sind bei der Behandlung gestorben
Beim Berliner Patienten mussten die Ärzte die Blutstammzellen-Transplantation – ebenfalls mit Zellen eines HIV-resistenten Spenders – zweimal hintereinander durchführen. Nach der ersten Behandlung hatten sich die HI-Viren wieder verbreitet. Zudem wurde der Patient am ganzen Körper bestrahlt. Auch er litt unter einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung. So konnten die eigenen krankhaften Blutzellen abgetötet werden.
Wie belastend die Behandlung ist, weiss Gero Hütter von der Medizintechnik-Firma Cellex GmbH in Dresden. Im Jahre 2008 war Hütter einer der behandelnden Ärzte des «Berliner Patienten» an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. «Seit der erfolgreichen Transplantation des ‹Berliner Patienten› wird versucht, diesen Fall zu reproduzieren. Leider sind einige der Patienten, die die gleiche Behandlung erhalten hatten, früh an Komplikationen oder Rückfällen ihrer Krebserkrankung verstorben», sagt Hütter.
Ein Patient aus Essen, den die Berliner Ärzte ebenso behandelten, erlitt einen Rückfall der HIV-Erkrankung mit einem mutierten Virusstamm, nachdem die HIV-Therapie abgesetzt wurde, fügt Hütter an. Bei drei weiteren Patienten liege die Transplantation schon mehr als ein Jahr zurück, sie erhalten aber weiterhin ihre HIV-Medikation. «Der jetzt vorgestellte Fall ist die erste erfolgreiche Wiederholung des ‹Berliner Patienten›», sagt Hütter.
Nur für HIV-Patienten mit zusätzlicher Krebserkrankung
So vielversprechend die neuesten Ergebnisse sind, eine Knochenmarkstransplantation sei eine «sehr stark eingreifende Massnahme, die mit schweren Nebenwirkungen einhergehen kann», gibt Gerd Fätkenheuer von der Universitätsklinik Köln zu bedenken. «Damit kommt sie für die alleinige Therapie der HIV-Infektion nicht infrage», sagt Fätkenheuer, «sondern nur dann, wenn zusätzlich eine Krebserkrankung vorliegt, die mittels Stammzellentransplantation heilbar ist.»
Weltweit sind fast 37 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert, von denen 21 Millionen antiretrovirale Medikamente einnehmen – ihr Leben lang. Nicht therapiert erkranken HIV-Infizierte an der Immunschwäche Aids. Im Jahr 2005 starben weltweit 1,9 Millionen Menschen an Aids, im Jahr 2016 noch eine Million. Nicht alle Formen von HIV-Infektionen sind behandelbar, manche Viren sind resistent gegen die Wirkstoffe, und in manchen Ländern sind die antiretroviralen Medikamente nicht verfügbar.
Medikamenten-unabhängige und andauernde Therapien, um die HI-Viren zu bekämpfen, seien deshalb eine dringendes globales Anliegen, schreiben die britischen Forscher in «Nature».
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