Zwölf Hymnen, zwölf Kreise, ein Zürich
Was hat die Altstadt mit leichten Mädchen zu tun? Warum inspirierte Wollishofen zu nichts? Und wie tönt der Züriberg? Antworten darauf liefern diese Songs.
Kürzlich beim Mittagessen fragte einer: «Hat eigentlich jeder Stadtkreis eine Art eigene Hymne?» Jemand erwähnte das tolle Rap-Projekt «Züri by Linez», allerdings ist das ein Stück, das jeden der zwölf Kreise besingt. Also gingen wir auf die Suche. Gefunden haben wir mehr, als es hier zu lesen gibt – doch gewisse Songs waren leider zu medioker, um sie ohne Würdeverlust präsentieren zu können.
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Kreis 1
Des Zürcher Mannes wichtigste Verhaltensregel
Mit «Les Filles du Limmatquai» (1982) glückte Stephan Eicher nicht bloss eine eigenwillige Hommage an den Kreis 1, er stellte mit «luege ja, tööple nei» auch die wichtigste Verhaltensregel für Zürcher Männer auf. Lustig ist, dass Radiomann François Mürner dem Musiker nach dem Hören des Lieds erklären musste, dass es korrekt «toutes les filles», nicht «tous les filles» heisst – und dass Eicher mit Filles gar nicht kecke Teenie-Girls, sondern die nächtlichen Prostitiuerten meinte.
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Kreis 2
Mit musikalischem Dada in die Hitparade
Ehrlicherweise muss erwähnt sein, dass Claude Aubert – Künstlername Claude – im dadaistischen Disco-Rap «Nüt» (1982) Wollishofen nicht namentlich erwähnt (bis auf «nüt» erwähnt er eh wenig, dieses Wort dafür 217 Mal). Doch weil er damals da wohnte – unweit vom «Café Jeanette» –, und weil es da ausser dem «Cafe Jeanette» und der Roten Fabrik für fidele Mitzwanziger wie Claude nichts (eben: nüt) gab, ist klar, dass sein One-Hit-Wonder-Song – er schaffte Chartplatz 8! – vor allem durch Wollishofen inspiriert war.
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Kreis 3
Sommerliche Liebeserklärung an die eigene «Hood»
Zürichs Reggae-Fachmann Phenomden hat mit «Wiedike» (2007) eine sommerlich warme, positive und beschwingte Liebeserklärung an sein Wohnquartier eingespielt. Weil die besungenen Lastwägen an der Weststrasse inzwischen Geschichte sind, groovt Wiedikon heute tatsächlich so schön wie in diesem Song.
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Kreis 4
Ein expliziter Streifzug durch sinistre Hinterhöfe
Wer könnte besser über Zürichs Grossstadtdschungel reimen als alteingesessene Rapper wie Skor und Tinguely dä Chnächt? Zusammen mit DJ/Produzent Sterneis bilden sie das Kollektiv Temple of Speed, das für jede Platte neue Stimmen hinzunimmt. Beim Album «Volume 2» war es Grossmeister E.K.R., zu dritt beleuchteten sie auf «Track 06» (2012) mit explizten Lyrics die dunklen Ecken des Quartiers rund um die Langstrasse, wo Bitches arbeiten und Junkies kauern.
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Kreis 5
Der Ur-Punk-Song, der unfreiwillig das AJZ bewegte
«Züri brännt / die alti Wixerstadt / Züri brännt / vor Langwiil ab.» So schrie es die 14-jährige Sara Schär, damals Teil der Gruppe TNT, im Zürcher Ur-Punksong «Züri brännt» (1979). 45 Sekunden dauert dieses zur Hymne der AJZ-Bewegten gewordene Brachialstück. 2008 hat es ein japanisches Label auf Vinyl wiederveröffentlicht.
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Kreis 6
Das Lebensgefühl zwischen Goof, Uni und «Kafi Schnaps»
Das Stück «Hippiekacke» (2011) von Ian Constable handelt grundsätzlich nicht von Ober- und Unterstrass, sondern von einem Lebensgefühl. Doch weil bei der Beschreibung des Lebensgefühls ausdrücklich «en Goof haa im Chreis 6», die Bar «Kafi Schnaps» und das Publizistikstudium an der Uni thematisiert werden, sei diese hymnische Verortung gestattet.
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Kreis 7
Gewisse Tiere da «unten» sind wie gewisse Tiere da «oben»
Tinguely dä Chnächt und Dior Diomed alias SLM52, die im Rap «Züri-Zoo» (2006) die tierische Stadt mittels grossem Wortwitz mit den Zoo-Bewohnern am Züriberg vergleichen? Besser kann man den Kreis 7 kaum in Szene setzen.
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Kreis 8
Die Chinawiese ist gut, aber im konkreten Fall nicht gut genug
Stereo Luchs besingt in «Was isch los» den Dance auf der Chinawiese, die Rapper von All Gemein erinnern sich in «Züri mini Stadt» an bekifftes Hängen auf der Chinawiese. Alles gut, aber für die Hymne nicht gut genug (auch weil das Grün korrekt Blatterwiese heisst), da muss Zarli Carigiet ran, der in «De Himmel vo Züri» (1959) fragt: «Was brennt me pro Nacht für e Kahn im Kreis acht?»
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Kreis 9
Eine bernerisch-zürcheriche Parodie auf den Basler Skandal
Im Dezember 2004 verhaftete die Stapo am Bahnhof Altstetten 427 Basler Fussballfans, die per Extrazug zu einem Spiel gegen GC angereist waren. Die Medien handelten den brisanten Vorfall unter dem Titel «Der Kessel von Altstetten» ab. Ähnlich – nämlich «Kessel vo Altstette» (2006) – heisst auch der Song der Basler Proleten-Rapper Allschwil Posse, die darin den Skandal aufarbeiten. Wobei Basler Proll-Rapper nicht ganz stimmt: Allschwil Posse ist ein gewitzes Parodie-Projekt des Zürchers Boni Koller (Baby Jail) und des Berners Bubi Rufener.
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Kreis 10
Jene kurze Songzeile, die unser Problem löste
Ein musikalisches Denkmal an Wipkingen und Höngg? Faktisch unmöglich, bis vor zehn Jahren war da ja vollends tote Hose. Zum Glück hat die Hip-Hop-Crew Radio 200'000 ins Goldküsten-Bashing «Im Huus» (2005) die kurze Zeile «Isch Wipkinge im Huus?» eingebaut – und uns damit das «Shit, was nehmen wir für den Kreis 10?»-Problem souverän gelöst.
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Kreis 11
Glamour hinterm Gubrist? Gibts tatsächlich!
Oerlikon besungen als mondäner, glamouröser Stadtteil, bevölkert mit internationalen Künstlern, Neonlichtern auf der Strasse, Eislauf-Revues im Hallenstadion, und all dies komprimiert in der Zeile: «Nun weiss jedes Kind und jeder Tourist, dass Zürich nur dein Vorort ist». Das Lied «Oerlikon» (2003) stammt aus Tibor Kasics' Radio-Musical «Nous irons a Oerlikon» von 1955, Michael von der Heide hat die Nummer für seine Liedersammlung «Helvetica» neuinterpretiert.
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Kreis 12
Harte Jungs mit harte Sitten am Blockrand-Stadtrand
Die Gsezhlos-Reimer geben in Sachen Gangsterrap schweizweit den Takt vor und inszenieren sie sich gern als Aussenseiter im Aussenseiterquartier. Im Video zu «Ich han nie wellä id Schuel» (2017) überfallen sie gerade eine Tankstelle an der Überlandstrasse. Im Clip zu sehen sind auch Luftaufnahmen der typischen Kreis-12-Blocksiedlung am Stadtrand.
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